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Fred Wander - Leben und Werk

Lesenotizen

Walter Grünzweig und Ursula Seeber (Hg.), "Fred Wander. Leben und Werk.", Weidle Verlag

Eine Aufsatzsammlung von sehr unterschiedlicher Qualität. Als lesenswert empfand ich:

Sibylle Klemm: Fred Wander im 'Leseland DDR'. Eine persönliche Würdigung.

"Mein Weg zu Fred Wander führte über seine Frau Maxie."[S.74]
Das ist genauso auch bei mir gewesen, zunächst habe ich viel Maxie Wander gelesen, danach wollte ich mehr über das Umfeld und natürlich den Ehemann von Maxie Wander erfahren.

Karl Müller: "Laß alles zurück, was Du nicht bist!" Gespräche mit Fred Wander.

Fred Wander findet als Kind einen Koffer voller Bücher in der Wohnung der Großeltern. Prägend für sein Leben waren vor allen diese drei Bücher[S.93]: Zitat von Fred Wander: "... so glaube ich doch, daß die beste Art, Arbeit zu stimulieren, die Arbeit ist! Setz' dich an diese Maschine und tippe drei Sätze... nach einer Weile merkst Du, wie es weitergeht.[S.95]

Christine Schmidjell: Das Brot der Geschichtenschreiber liegt auf der Straße. Fred Wander als Journalist in Wien 1950-1954.

Ein ganz besonders wertvoller Aufsatz, hat sich doch die Autorin die Arbeit gemacht, sämtliche Jahrgänge der Zeitungen, in denen Fred Wander in den Jahren 1959 bis 1954 veröffentlichte, durchzuschauen, und auch die nicht bezeichneten Beiträge zu identifizieren.

Fred Wander wurde 1947 Mitglied der KPÖ, und damit war der Schritt zu deren Publikationsorganen vorgegeben.[S.125/126]

Der Abend ist das wichtigste Publikationsorgan Fred Wanders als freier Journalist im Wien der fünfziger Jahre. In vier Jahren verfertigte er ca 170 Beiträge, monatlich bis zu neun Stück.[S.128]
In der ebenfalls kommunistischen Stimme der Frau veröffentlichte Wander in den Jahren 1950 bis 1954 35 Arbeiten.[S.129]

Bezeichnend für Wander ist seine Kommunikationsstärke, sein fein entwickeltes Instrumentarium in Sachen Alltagsgespräche.[S.134]

Wander schreibt einen einzigartigen Katalog sozialer Mißstände im ersten Wiederaufbaujahrzehnt.[S.136]
Berichte von den "Kriegsschauplätzen des Alltags", wie er selber es formuliert.[S.136]

Wanders Arbeiten für Printmedien sind heute fast gänzlich unbekannt, teils auch darum, weil Wander ein zwiespältiges Verhältnis zu dieser Phase seines Schaffens hatte.[S.143]

Die journalistische Arbeit endete mit der Übersiedlung der Wanders in die DDR.

Walter Grünzweig: Sinnbilder des Lebens. Fred Wander als Jugendbuchautor.

Erst nach der Lektüre der Jugendbücher läßt sich die Geschlossenheit des Wanderschen Gesamtwerks erahnen.[S.153]
Grünzweig behandelt die Jugendbücher in chronologischer Folge:

Taifun über den Inseln
Geschrieben vor 1955. Rassengegensatz; gesellschaftliches Raster race - class - gender.[S.156]
Der Nebenwiderspruch, der die Frauenfrage der Klassenfrage unterordnet, ist hier außer Kraft gesetzt.[S.160]
Wie die Kategorie Rasse ist auch die Kategorie Geschlecht bei Wander nicht auf die Klassenkonstellation reduziert.[S.160]

Bandidos
Notwendigkeit von Solidarität angesichts wirklichen Leids und akuter Gefahr.[162]
Nicht um die Unterwerfung unter die Parteilinie, die Volksmassen usw geht es, sondern um ein persönliches Bewußtsein für Probleme und eine persönliche Entscheidung.[S.165]
Kein Lob der Unterwerfung unter die Reglementierung, sondern Aufforderung zum Widerstand.[S.165]

Nicole
Nicole ist abgestoßen von der Oberflächlichkeit ihrer Freunde aus dem Bürgertum.[S.166]
Gegenüber einer politischen Kultur, in der die Kinder der Reichen mit den Kommunisten sympathisieren und der bourgoise Hintergrund der Linken ein Vordringen zu den echten Problemen verhindert, wird die idealistische Nicole als weithin überlegen dargestellt.[S.167]
...fast durchgängig Kritik an der "Zivilisation", der Konsumgesellschaft, der umfassenden Kommodifizierung der Gesellschaft.[S.167]
"In dieser verdammten Stadt", beklagt sich Nicole, "sitzt man immerzu nur in Bistros und schaut dem Leben zu. Aber wann, zum Teufel, lebt man wirklich? Diese Fluten von Licht, in denen man blind wird für das Reale. Alle diese Leute jagen Erlebnissen nach, die zu empfinden sie nicht mehr fähig sind. ..."[S.168]

Hotels sind bei Wander bekanntlich immer anti-bürgerliche und eskapistisch-utopische Räume[S.16] (Meine Meinung: heute ist das nicht mehr so)
Wander hat sich zeitlebens den amerikanischen Transzendentalisten Thoreau, Emerson und Whitman verbunden gefühlt.[S.169]

Zitat von Wander:
"Du mußt dein Leben selbst gestalten und nicht andere dafür verantwortlich machen, wenn dein Dasein leer ist! Jammere nicht, pack zu, mach die Augen auf, verändere die Welt und dich selbst! Alle Begegnungen, die guten wie die weniger guten, über die ich berichtet habe, brachten mich weiter auf der Suche nach mir selbst."[S.169]

Hannes Kraus: (W)anders Reisen. Reiseberichte aus zwei Jahrzehnten.

Das Reisen ist neben dem Lesen für Wander eine zentrale Wahrnehmungs- und Erkenntnisform.[S.173]
Alle Bücher Wanders sind durchzogen von wiederkehrenden Erinnerungs- und Erlebnismustern. Zentrale Topoi sind das "Gedenken an die Toten" und das "Weiterleben".[S.174]

Korsika
Reise im Juli und August 1956

Pariser Impressionen
In den Jahren 1062 bis 1964 waren die Wanders zusammen 5 Monate in Paris. Paris als Ort gelebter Multikulturalität.[S.178] Wichtiges Thema: Erinnerung.[S.179]

Holland - auf den ersten Blick
Vor der Hollandreise ereignete sich der Unfalltod von Wanders Tochter Kitty (1968) und Wander veröffentlichte sein wichtiges Buch "Der siebente Brunnen"(1970).
Reise nach Amsterdam im Mai 1970.
Das Buch hat etwas den Charakter einer politisch korrekten Sozialreportage, dank der Einschübe des Reisebegleiters Ernst Eplers.[S.181]

Provenzalische Reise
Die Reise fand 1974 statt, das Buch ist 1978 erschienen.
Über weite Strecken wird das Buch beherrscht von Zivilisationskritik, Sehnsuchtsbildern und gelebten Utopie-Entwürfen.[S.183]
Tiefe Sehnsucht nach dem Mediterranen.[S.185]

Zentrale Topoi des Wanderschen Textgeflechts:

Klemens Renoldner: Versuche mit der Gegenwart. Zu den Theaterstücken Fred Wanders.

Bei Wander gab es ein Interesse am Theater generell.
Indiz auch der verworfene Plan zu einem Hamlet-Roman nach dem Krieg.[S.188]
Wander schätzte besonders Anton Tschechow.[S.189]
Dramatiker genossen in der DDR eine sehr hohe soziale Achtung.[S.191]

Josua läßt grüßen
Uraufführung 25.6.1977. Großer Erfolg.[S.192]

Der Bungalow
Uraufführung 13.10.1978 [S.193]

Das taubengraue Haus
Uraufführung 18.1.1980 [S.194]

Patrique
Uraufführung 9.9.1983

Die Reihe von Schauspielen zeigt, dass Wander ein produktiver DDR-Dramatiker war.

In Wanders Stücken gibt es keine Ost-West-Themen, sondern große Fragen:

Die kleinbürgerliche Lebenslüge, die nach und nach aufgedeckt wird, spannt einen Bogen um die Geschichten.[S.195]

Die bürgerliche Zivilisation hat ein böses Symbol: das Auto. Unfalltote spielen eine Rolle in den Stücken, ein ganzer Wald wird abgeholzt für eine große Garage, wegen eines Autos wird eine Abtreibung riskiert, am Fenster ist pausenloses Dröhnen der Autobahn zu hören usw. Das Auto ist eine Art Goldenes Kalb - wir kennen entsprechende Passagen auch aus Fred Wanders Reisebüchern -, es ist das Böse schlechthin, ein ewig zu geißelnder Fetisch des Wohlstands, ein Synonym für die Entwertung des Lebens, ein böses Surrogat für den verlorenen Lebensinhalt.[S.205]

Maria Kublitz-Kramer: "Das Baalbek war zwar nur ein schäbiges Hotel, aber es war eigentlich viel mehr als das." Zu Fred Wanders Roman Hotel Baalbek.

Das Baalbek ist der Ort der sexuellen und kulturellen Initiation.[S.214]
...ahasverische Haltung, die des Menschen im Exil.[S.217]
Flanieren ist nicht nur Lektüre der Straße, sondern vornehmlich der Menschen.[S.217]
Baalbek = das altgriechische Heliopolis.[S.221]


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Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 05.12.2006
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