Programmsterne der Sektion Halb- und Unregelmäßige
Die Halbregelmäßigen haben sich bei den BAV-Mitgliedern zu einer
beliebten Veränderlichenart gemausert. Der Wechsel in der Sektionsleitung
"Halb- und Unregelmäßige" von Eyck Rudolph zu mir ist daher der gegebene
Anlaß, sich Gedanken über das bestehende Programm zu machen und Ideen
für ein neues Projekt der Sektion zu sammeln.
Das bestehende Programm der Sektion
Die alten Programmsterne wurden zuletzt von Eyck Rudolph im
BAV Rundbrief 2(1995), 89 aufgelistet. Im Wesentlichen sind das Sterne, für die
langjährige Beobachtungsreihen existieren (d.h. eine Auswahl primär über die
Anzahl vorhandener Lichtkurvenblätter oder Einzelschätzungen, weniger auf der
inhaltlichen Ebene). Eine weitergehende Absicht stand und steht nicht hinter
diesem Programm. Dennoch ist es wichtig, auch diese Sterne weiter zu verfolgen:
wer einmal versucht hat, den Lichtwechsel eines Sterns über mehrere Jahrzehnte
zu verfolgen weiß, daß eigentlich immer zuwenig Beobachtungen vorhanden sind.
Doch nur über jahrzehntelange Beobachtungsreihen erschließen sich manche
Eigentümlichkeiten der einzelnen Objekte, sie haben daher einen Wert an sich
und sollten nicht unterbrochen werden. Bei drohenden längeren Beobachtungslücken
werde ich mir daher erlauben, darauf hinzuweisen. Kurz die Auflistung der Sterne:
Das alte SR-Programm der BAV
TV And | S Aql | V Boo | RR CrB | W Cyg |
RU Cyg | AF Cyg | CH Cyg | EU Del | TX Dra |
AC Her | g Her | U Mon | R Sct | Z UMa |
Als Beispiel für einen der Programmsterne hier die Lichtkurve von TX Dra, einem
altbekannten Halbregelmäßigen, von dem dennoch selten eine Lichtkurve zu
sehen ist. Ich habe für diese Kurve von den Lichtkurvenblättern von Herrn Born in
10-Tages-Abständen die Helligkeit abgelesen (es liegen mir keine Einzelschätzungen
vor) und mit dem im Kurvenverlauf gut übereinstimmenden Blatt von Frank Vohla
abgeglichen. Dem sehr gut dokumentierten Lichtwechsel mit der Periode von
ca. 78 Tagen ist im dargestellten Zeitraum eine ganz allmähliche Helligkeitsabnahme
überlagert. Das ist eine der Erscheinungen, die sich erst nach sehr kontinuierlichen
Beobachtungen nachweisen lassen und treue Beobachter erfordern.
In den nächsten Rundbriefen sollen immer mal wieder Ergebnisse der Beobachter
vorgestellt werden. Dabei ist es natürlich hilfreicher, neben den Lichtkurvenblättern
auch die Einzelbeobachtungen zur Hand zu haben.
Das neue Programm der Sektion
Zur Definition eines neuen Programms
Die Sektionen "Bedeckungsveränderliche" und "Kurzperiodische Bedeckungssterne"
sind schon lange mit dem guten Beispiel vorangegangen, Programme zu definieren
(zuletzt das "Programm 2000" von Helmut Busch) und systematisch über mehrere Jahre
gezielt daran zu arbeiten. Vorbildlich ist, daß die Auswahl der Programmsterne mehreren
definierten Kriterien genügt, der Sinn der Beobachtungen also für den einzelnen Beobachter
evident ist und motivierend wirkt. Ich möchte dieses Vorgehen für die Sektion "Halb- und
Unregelmäßige" übernehmen und die interessierten Beobachter zur Mitarbeit aufrufen.
Gewünscht sind Ideen für die Gestaltung eines neuen Programms, die Nennung von
Lieblingssternen (und warum es Lieblingssterne sind), Mitteilung über laufende Privatprogramme,
die noch nicht "öffentlich" geworden sind, et cetera.
Kriterien für ein neues Programm
Unabhängig davon möchte ich nun ein Projekt vorstellen, welches den meisten Kriterien
genügt, die an ein solches Programm anzulegen sind, als da wären:
- alle BAV-Beobachter sollten die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen
- ein wissenschaftlicher Nutzen sollte deutlich sein
- eine Kontinuität der Beobachtungen sollte gewährleistet sein
- es sollte Spaß machen und spannend sein
- eine ständige Beobachterbetreuung und -motivation solte sichergestellt sein
Ich meine, daß ein BAV-Projekt "RV-Tau-Sterne" allen diesen Kriterien genügt! Das werde
ich im Anschluß an die Beschreibung der Projektziele noch genauer begründen.
Ein BAV-Projekt "RV-Tau-Sterne" - warum?
Wie schon in mehreren Rundbriefbeiträgen der letzten Jahre erwähnt
bilden die
RV-Tau-Sterne eine sehr kleine, aber sehr interessante Veränderlichengruppe. Im Allgemeinen
wird heute angenommen, daß diese Sterne die Entwicklung auf dem Asymptotischen Riesenast
abgeschlossen haben und sich nun im HR-Diagramm auf dem Weg nach "links" hin zu höheren
Temperaturen befinden. In der Zukunft werden sie die im Riesenstadium abgestoßene Hülle zum
Leuchten anregen und sich zum Weißen Zwerg weiterentwickeln. Für Beobachter mit am
interessantesten ist die Tatsache, daß diese Entwicklung in astronomisch gesehen kurzer
Zeit verläuft, also Entwicklungseffekte aufzuspüren sein könnten.
Im ganzen GCVS sind nur rund 100 RV-Sterne aufgeführt, mehr als die Hälfte kaum beobachtet
und von zweifelhafter Klassifikation. In der wissenschaftlichen Literatur, die gerade bei
Langzeitbeobachtungen immer auch auf Amateurbeobachtungen angewiesen ist, zeigt sich
daher eine Konzentration auf eine Handvoll Sterne mit guten Beobachtungsdaten. Andererseits
zeigt schon die geringe Anzahl gut beobachteter Sterne soviel an Individualität, daß es dringend
nötig ist, die Erforschung der Gruppeneigenschaften auf eine breitere Basis zu stellen. Hier soll
nun das BAV-Projekt greifen.
Projektziele
Folgende Fragestellungen und Programmziele sind denkbar:
- Sammeln weiterer Ergebnisse für altbekannte Vertreter
- Klärung des Lichtwechsels unbekannterer Sterne
- Bestimmung von Elementen, Erstellen von B-R-Diagrammen
- Lichtkurvenvariationen ermitteln, gibt es Trends?
- RVb-Phänomen - gibt es eine Entwicklung in der Ausprägung, im Verlauf, der Tiefe etc? Stimmt
die Klassifikation RVa / RVb bei den Programmsternen?
- Sammeln von Literaturstellen, Ergebnissen anderer Organisationen, etc
Sind die Kriterien für ein sinnvolles Programm erfüllt?
Weiter oben wurden mehrere Kriterien für ein sinnvolles BAV-Programm genannt. Bei
der Prüfung der einzelnen Punkte kann gleichzeitig manches weiter präzisiert werden.
Kriterium 1 - Jedes BAV-Mitglied sollte mitmachen können
Die RV-Tau-Sterne sind aus mehreren Gründen für Anfänger und Fortgeschrittene,
für Feldstecherbeobachter und Dobsonianer, CCD-Freunde und PC-Freaks, und auch
für Schreibtischtäter geeignet:
- Die geringe Färbung der Sterne erleichtert die Mitarbeit für Anfänger,
Gemeinschaftslichtkurven sind leichter zu erstellen und sicherer.
- Für einige Fragestellungen reicht die Bestimmung der ausgeprägten Hauptminima.
Das spricht sowohl unerfahrene Beobachter an als auch Beobachter, die gerne gezielt
beobachten oder nur beschränkt Zeit haben (Saisonbeobachter).
- Für jedes Instrumentarium gibt es Objekte zur Auswahl: RV-Tau-Sterne bieten
Feldstecherbeobachtern wie Dobsonianern etwas. Die schwächsten Sterne könnten
CCD-Kameras vertragen. Freunde der Plattensammlung in Sonneberg können unter einigen
Dutzend möglichen Sternen wählen.
Im Internet kann man das Angebot der automatischen CCD-Kamera "Stardial" nutzen:
wer kein Teleskop aber dafür einen PC mit Internetanschluß hat, kann vier RV-Tau-Sterne,
davon drei fast unbekannte, bequem bearbeiten. Ein Beispiel weiter unten.
- Last not least ist es zur theoretischen Durchdringung des Materials wünschenswert,
Literatur zu sammeln und wichtige Zeitschriftenaufsätze zu referieren.
Kriterium 2 - ein wissenschaftlicher Nutzen sollte deutlich sein
Die weitgehende Verwendung von Amateurbeobachtungen für aktuellste Fachaufsätze
spricht für sich: der Bedarf an regelmäßigen Beobachtungen besteht. Auf eine Anfrage
von mir, welche RV-Tau-Sterne am sinnvollsten ausgewählt werden sollten, bekam ich
von E.Zsoldos die Antwort:
"Regarding problematic stars: almost all of them are problematic.
But there are a lot of unobserved variables, stars like CT Ori etc. But they are rather faint,
so I don't know if they are suitable." Für die "rather faint stars" hoffe ich nun auf die Mitarbeit
einiger Beobachter mit großen Instrumenten. Nach meiner letzten Bearbeitung von
SR-Veränderlichen und Einstellen dieses Aufsatzes in meine Homepage mailte mir
Zsoldos, daß er diese Seite als Bookmark gesetzt hat und auf weitere Ergebnisse
gespannt ist. Von John Percy bekam ich ähnliche Aufmunterung. Die Profis setzen
also auf uns!
Kriterium 3 - Kontinuität der Beobachtungen
Ein Beobachtungsprogramm steht und fällt mit seiner kontinuierlichen Durchführung.
Während es bei den roten Halbregelmäßigen enorme Probleme macht, Gemeinschaftslichtkurven
zu erstellen, geht das bei den RV-Tau-Sternen einfacher, zudem ist die Ermittlung von
Minimumszeitpunkten unabhängig von Farbeffekten. Eine Kontinuität ist daher auf
Arbeitsgruppenebene möglich, es braucht nicht unbedingt Einzelbeobachter, die jahrzehntelang
eisern beim selben Stern ausharren. Ein schönes Beispiel bieten die jetzt schon zahlreich
vorhandenen AC Her-Beobachtungen der BAV-Mitglieder.
Kriterium 4 - Spaß und Spannung
Aus der stark gestiegenen Zahl von BAV-Ergebnissen speziell für RV-Tau-Sterne
schließe ich, daß diese Sterne eine dankbare Veränderlichengruppe bilden und den
bisherigen Beobachtern entgegenkommen. Vielleicht lassen sich dadurch noch weitere
Beobachter zu einem Versuch animieren.
Kriterium 5 - Beobachterbetreuung
Die RV-Tau-Sterne haben sich für mich als eine der spannendsten Gruppen herausgestellt.
Mehrere von ihnen gehören seit über zehn Jahren zu
meinem eigenen Beobachtungsprogramm,
weitere werde ich mitaufnehmen. Aus diesem Interesse heraus werde ich natürlich auch
andere Beobachter zu unterstützen versuchen.
Sternliste
Aus dem GCVS (incl. Ergänzungen; Quelle: GUIDE 6.0) habe ich alle RV-Tau-Sterne
herausselektiert, deren Deklination nördlich ca -10 Grad ist. Die folgende Tabelle ist nach
Helligkeit absteigend sortiert. Ausgewählt sind vorerst nur Sterne, die im Maximum
die 12.Größenklasse erreichen, bei Bedarf und Interesse kann man von mir eine
vollständige Liste bekommen. Nur die wenigsten Sterne sind im Programm der
AAVSO, es ist also notwendig, selber
sichere Umgebungskarten zu erstellen. Es ist
sinnvoll, schon von Beginn an die selben Vergleichssterne zu benutzen. Eine Liste
bestehender Karten hoffe ich im nächsten Rundbrief präsentieren zu können. Noch
zwei Anmerkungen zu einzelnen Sternen:
CE Vir ist trotz seiner Helligkeit und seiner Amplitude ein nahezu unbekannter
Stern. Die Klassifikation ist nicht sicher. Im nächsten Rundbrief möchte ich etwas detaillierter
auf diesen Stern eingehen und ihn als erstes Highlight präsentieren.
V453 Oph ist ggw. in keinem internationalen Programm, die Elemente sind unsicher,
der Helligkeitsbereich ist für mittlere Fernrohre geeignet. Auch V453 Oph ist mit Stardial beobachtbar.
RV-Tau-Sterne nördlich von -10 Grad Deklination, nach Helligkeit sortiert
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NAME CON ALPHA DELTA TYP MAX MIN C PERIOD SPEKTRUM
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R SCT 184449 -0545.6 RVA 4.2 8.6 V 146.5 G0IAE-K2P(M3)IBE
U MON 072824 -0940.3 RVB 6.1 8.8 P 91.32 F8EVIB-K0PIB(M2)
AC HER 182809 +2149.9 RVA 6.85 9.0 V 75.01 F2PIB-K4E(C0.0)
R SGE 201147 +1634.4 RVB 8.0 10.4 V 70.770 G0IB-G8IB
V VUL 203424 +2625.8 RVA 8.05 9.53 V 75.7 G4E-K3(M2)
CE VIR 134642 -0140.9 RV: 8.37 10.71 V 67. G-K
TW CAM 041640 +5719.3 RVB 8.98 10.27 V 87.22 F8IB-G8IB
CT ORI 060712 +0953.2 RV: 9.14 12.39 V 135.52 F9
SS GEM 060534 +2237.5 RVA 9.3 10.7 P 89.31 F8IB-G5IB
EQ CAS 235023 +5444.1 RVA 9.3 13.4 V 58.34 FP(R)
TT OPH 164706 +0343.1 RVA 9.45 10.84 V 61.08 G2E-K0
SZ MON 064856 -0118.6 RVA 9.66 10.75 V 32.685 F9-K5
TX OPH 170132 +0503.1 RVA 9.7 11.4 V 135. F5E-G6E
RV TAU 044402 +2605.4 RVB 9.8 13.3 P 78.731 G2EIA-M2IA
SU GEM 061052 +2743.1 RVB 9.8 14.1 V 50.00 F5-M3
TX PER 024453 +3645.5 RVA 9.81 12.5 V 78. GP(M2)-K0E(M2)
UZ OPH 171934 +0657.6 RVA 9.93 11.50 V 87.44 G2E-G8(M2)
EP LYR 191617 +2745.1 RVB 9.96 10.90: V 83.34 A4IB-G5P
V 360 CYG 210829 +3028.1 RVA 10.36 12.23 V 70.390 F5-G0E
V 453 OPH 172413 -0221.5 RVA 10.40 11.53 V 81.300 FP
DF CYG 194716 +4254.7 RVB 10.8 15.2 P 49.808 G5-K4I-II
EZ AQL 193706 +0829.5 RVA 11.1 14.0 V 38.64 G5-K0
DY ORI 060322 +1353.5 RV: 11.29 12.50: V 60.26
V1690 CYG 202047 +4239.9 RV 11.3 14.2 I 285.
AD AQL 185625 -0814.4 RVA 11.5 13.5 P 65.4 FP(R)
RS SGE 195453 +1951.7 RVB+EA 11.7 15.9 P 82.395
QV AQL 195151 +0728.8 RV 12. 15.5 P 169.5
DZ UMa 111540 +5258.1 RVB: 12.0 13.5 P
Die Nutzung von Stardial
Für Stardial
geeignet sind Sterne mit der Deklination -8 Grad bis 0 Grad und einem Minimum
heller als die 11. Größenklasse. Das wären außer R Sct (der fast zu hell ist):
CE Vir, SZ Mon und V453 Oph. Es ist fast von Vorteil, daß gleich zwei unsichere
Kandidaten dabei sind: die RV-Tau-Natur von CE Vir ist nicht ganz sicher (vielleicht
ist es "nur" ein SRD-Stern), und SZ Mon sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, ein
W-Vir-Stern zu sein.
Stardial ist eine automatische CCD-Kamera, die regelmäßig einen ca 8 Grad breiten
Streifen fotografiert und die Bilder für jeden frei verfügbar ins Internet stellt. Ein schöner
Aufsatz von Uli Bastian in "Sterne und Weltraum" 8-9/1998,772 stellt alles wichtige vor,
ein Studium der schön organisierten Hompepage
von Stardial ist sowieso anzuraten. Stardial bietet sich
förmlich für das Studium der Veränderlichen Sterne an. Bis zur Grenzgröße um
12mag sind hunderte von Sternen beobachtbar, wobei ein Aspekt für
Mira-Freunde besonders interessant ist: das Maximum der spektralen Empfindlichkeit des
Chips liegt im nahen Infraroten, selbst unbekannte und schwache Mirasterne mutieren
so plötzlich zu hellen Sternen, die sich kinderleicht mit ausreichender Genauigkeit
schätzen lassen.
Ein problematischer Aspekt sind allerdings die Dateiformate: die "wissenschaftlich"
verwertbaren FITS-Dateien sind sehr groß und verlangen schnelle Modems oder einen
kostenlosen Internetzugang. Die stark komprimierten Dateien im JPG-Format sind
klein (20 - 30 KB) und schnell downloadbar, aber mit teils gruseligen Kompressionsartefakten
behaftet. Für eine grobe Bestimmung der Lichtkurve sind auch diese ausreichend, wie das
Beispiel V 453 Oph zeigt: alle brauchbaren Aufnahmen von 1998 habe ich mit
der normalen Stufenschätzmethode auf den JPG-Dateien bearbeitet und trotz deren
Eigenheiten eine brauchbare Lichtkurve erzielt. Wer also ein schnelles Modem besitzt
und Software zur genauen Fotometrie sei hiermit eingeladen, sich an den genannten
Sternen zu versuchen und besseres abzuliefern. Meine Lichtkurve zeigt den typischen
Lichtwechsel eines RV-Tau-Sterns mit der Folge Hauptminimum, Hauptmaximum,
Nebenminimum und Nebenmaximum.
Gestaltet von Béla Hassforther.
Letzte Änderung: 20.05.2001
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