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Veränderliche im Orion-Nebel

Das Trapez im Orionnebel
Das Trapez im Orionnebel. BM Ori und V1016 Ori sind markiert. Norden ist oben.
Der Orionnebel hat für jedes Instrument, für jede Technik, für jeden Beobachter etwas zu bieten, selbstverständlich auch für Veränderlichenbeobachter. Schaut man sich zum Beispiel die Karten in Burnhams Celestial Handbook an, ist man mit einigen Dutzend Veränderlichen Sternen im engsten Kernbereich konfrontiert. Nur wenige davon können hier vorgestellt werden. Beginnen wir also im Zentrum, bei den hellsten Sternen.

BM Orionis = Theta 1 Orionis B

Vier Sterne dominieren den zentralen Sternhaufen, das berühmte Trapez - jedenfalls meistens. Schon länger bekannt ist die Veränderlichkeit von BM Ori (auch als Theta 1 Ori B bezeichnet). Mit einer Normalhelligkeit von 7,95 ist dies der schwächste der vier Sterne. Es ist ein typischer Bedeckungsveränderlicher mit einer Periode von 6,47 Tagen und einer deutlich sichtbaren Amplitude von 0,6mag. Ist er im Minimum, hat das Trapez einen ganz anderen Charakter: schaut man mit kleinerer Öffnung bei weniger optimalen Bedingungen, dann sieht man oft nur noch drei Sterne. Die Dauer der Bedeckung ist mit 18 Stunden (von denen 6 Stunden nahezu konstant im Minimum verbracht werden) verhältnismäßig lang im Vergleich zur Periode, so dass sicher schon der eine oder andere ein Minimum von BM Ori gesehen hat, ohne sich vielleicht den leicht irritierenden Eindruck erklären zu können. Wie man bei genauerer Betrachtung der Lichtkurve erkennen kann, handelt es sich um kein ganz normales System: die Sterne im Orionnebel sind jung, und nicht alle haben schon die Hauptreihe erreicht. Während es sich beim Hauptstern um einen normalen B3-Hauptreihenstern mit etwa sechs Sonnenmassen handelt, deutet vieles darauf hin, dass es sich beim Begleiter um einen schnell rotierenden und daher stark abgeplatteten jungen Stern mit nur 1,8 Sonnenmassen handelt.

Lichtkurve von BM Ori
Lichtkurve von BM Ori im Visuellen. Photoelektrische Messungen von D.S.Hall und L.M.Garrison (1969), reduziert von Su-Shu Huang (Ap.J 195, 127-135, 1975, January 1), leicht bearbeitet von mir. Das deutlich zu erkennende Nebenminimum ist nur 0,04 mag tief. Die Tiefe des Hauptminimums variiert in längeren Zeiträumen, auch ist seine Form nicht symmetrisch, wie auf dem rechten Lichtkurvenausschnitt leicht zu erkennen ist.

BM Ori im Minimum Diese Aufnahme ist ein Kuriosum: es handelt sich um einen Ausschnitt aus einer der ersten Aufnahmen des Orionnebels überhaupt - und sie zeigt BM Ori im Minimum. Sie wurde im September 1880 von Henry Draper am Observatorium von Paris gewonnen. Bei einer Belichtungszeit von fünf Minuten mit einem 11-Zoll-Astrographen war es bei den damaligen Emulsionen (Gelatine-Bromid) gerade einmal möglich, die achte Größenklasse zu erreichen. Allerdings ging die Entwicklung sehr schnell voran, und nur zwei Jahre später konnte Draper mit einer 137-Minuten-Aufnahme den Zentralbereich des Orionnebels so abbilden, wie er uns heute bekannt ist. Quelle: Sky & Telescope 11/1980, 364-366)

BM Ori gehört zu den Programmsternen der BAV, bei der Vorhersagen und weitere Daten zu erhalten sind.

V1016 Orionis = Theta 1 Orionis A

Da der Orionnebel und das Trapez sicherlich zu den meistbeobachteten Schaustücken am Himmel gehören ist es kein Wunder, dass die Entdeckung des zweiten hellen Bedeckungsveränderlichen im Trapez eine kleine Sensation war. Als Eckmar Lohsen in der Wintersaison 1973/74 eine Beobachtungsserie an BM Ori durchführte, fand er zufällig Theta 1 Orionis A um genau eine Größenklasse schwächer: statt 6,75mag hatte der Stern nur noch 7,8 zu bieten und das Trapez bestand plötzlich aus zwei helleren und zwei schwächeren Sternen. Heute wäre solch eine Beobachtung am selben Abend eine Meldung in einer der Mailing-Listen wert, Lohsen mußte damals aber erst abwarten, bis er ein zweites Minimum nachweisen konnte, was ziemlich genau 13 Monate dauerte. Am 14.April 1975 teilte er dann im Information Bulletin on Variable Stars No. 988 seine Beobachtungen mit und erzeugte damit reichlich Wirbel in der Veränderlichenszene. Bis 1976 dauerte es, bis die genaue Periode (65,43 Tage) bekannt war (J. Mattei für M. Baldwin im IAU-Circular 3004 vom 5.11.1976; vgl. auch Otto G. Franz im IBVS 1274 vom 9.5.1977).

Die wesentlichen Systemeigenschaften des nun als V1016 Ori bekannten Veränderlichen sind inzwischen bekannt, allerdings ist es bis heute nicht gelungen, das Nebenminimum nachzuweisen. Die Kenntnis der Lage und genauen Amplitude dieses Nebenminimums ist grundlegend für die Entscheidung zwischen zwei Modellen, mit denen man das System gleichermaßen gut beschreiben kann. Sicher ist, dass der Hauptstern ein heisser und massereicher Hauptreihenstern vom Spektraltyp B0 bis B2 ist. Der Begleiter ist nach jetzigem Kenntnisstand ein Stern vom Spektraltyp A0, der die Hauptreihe noch nicht erreicht hat. Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass zwei Sterne ein System bilden, die sich in einem unterschiedlichen Entwicklungsstadium befinden. Die Geschwindigkeit, mit der die einzelnen Phasen der Sternentwicklung durchlaufen werden, ist eng an die Masse gekoppelt: je massereicher der Stern, desto schneller geht alles. Der Hauptstern von V1016 Ori ist wesentlich massereicher und hat die Hauptreihe schon erreicht, der leichtere Begleiter befindet sich dagegen noch in der Kontraktionsphase.

Warum hat die Entdeckung so lange auf sich warten lassen? Zunächst ist es ein bekanntes Phänomen, dass die meisten Beobachter die nicht ganz so augenfälligen Objekte nur dann sehen, wenn sie von deren Existenz etwas wissen. Das Trapez zu betrachten läßt vielleicht manchmal ein irritierendes Gefühl zurück (irgend etwas ist anders), sowas vergißt man aber leicht. Und zudem ist die Dauer des Minimus im Vergleich zur Periode des Sterns kurz: zwanzig Stunden für die Gesamtdauer bei einer Periode von 65 Tagen - das macht rund ein Prozent aus. Kein Wunder also, dass die genaue Lage des Nebenminimums, das je nach Modell nur einige wenige Zehntel Amplitude hat, auch heute noch unbekannt ist.

Die folgende Lichtkurve zeigt schön die ausgesprochen kurze Dauer des Minimums im Vergleich zur Periode - obwohl das Minimum mit einer Gesamtdauer von rund zwanzig Stunden noch nicht einmal kurz zu nennen ist. Quelle der Daten: Bondar N.I., Vitrichenko E.A., Zakirov M.M. "A photometric study of the star V1016 Ori", Pis'ma Astron. Zh. 26, 525 (2000).

Gesamtlichtkurve von V1016 Ori
Lichtkurve von V1016 Ori

Hier noch ein Ausschnitt um das Minimum herum, der auch einige Patzer der Autoren aufdeckt: wenn der Stern als konstant gemessen wird, muß er nicht unbedingt konstant sein... Der abgebildete Zeitraum (Phase -0,01 bis Phase 0,01) überdeckt 1,3 Tage, wie man leicht ausrechnen kann. So gewinnt man einen besseren Eindruck von der Länge des Minimums.

Minimum von V1016 Ori
Hauptminimum von V1016 Ori

Es ist bei einer Minimumsdauer von 20 Stunden zwar in mitteleuropäischen Breiten nicht möglich, ein komplettes Minimum am Stück durchzubeobachten, aber die wesentlichen Änderungen geschehen innerhalb von acht Stunden. Liegt die Mitte des Minimums also in der Mitte der Nacht, können sich aufopferungsvolle Beobachter daran versuchen, während einer nächtlichen Marathon-Sitzung den wichtigsten Teil der Bedeckung zu verfolgen. Jan Gensler hat dieses Kunststück Ende 1995 fertiggebracht, hier das Ergebnis einer achtstündigen Beobachtungsnacht bei -7° Celsius:

Minimum von V1016 Orionis, beobachtet von Jan Gensler

Minimum von V1016 Orionis am 28./29.12.1995, beobachtet von Jan Gensler.
Hier findet man das Original-Lichtkurvenblatt im BAV-Format mit der Ableitung des Minimum-Zeitpunktes.

In Sterne und Weltraum hat Ulrich Bastian mehrfach die Beobachtung dieses Veränderlichen angeregt. Wolfgang Lille ist dieser Anregung gefolgt und hat eine Reihe ausgezeichneter Aufnahmen des Sterns im Normallicht und während einer Bedeckung gewonnen. Ulrich Bastian hat mir das Original-Material zur Verfügung gestellt und Wolfgang Lille hat netterweise die Erlaubnis zur Veröffentlichung gegeben. Das Aufnahmeinstrument ist zwar vom Feinsten und steht nur den wenigsten Amateuren zur Verfügung (ein 200/3000 mm-Christen-Apochromat), andererseits hat Lille Mitte der 90er-Jahre noch mit dem TP2415 gearbeitet und nicht mit einer CCD-Kamera. Berücksichtigt man auch noch die Beobachtungsbedingungen (durch Wolkenlücken), dann ist das Ergebnis eine Riesenleistung.

V1016 Ori normal und im Minimum, Aufnahmen von Wolfgang Lille

Links ist V1016 Ori im Normallicht (12.01.1992, 23h00MEZ), rechts im Minimum (04.02.1995, 22h05MEZ).

 

Beobachtungsmöglichkeiten:

Wer nun ebenfalls den Stern beobachten will kann sich an folgenden Elementen orientieren:
Min = 2442752,022 + 65,4328 x E

Vorhersagen (die nächsten beobachtbaren Minima):
2003-September-11,1
2003-November-15,53

Auch V1016 Ori ist ein BAV-Programmstern, weswegen es Ergebnisse (ein Beispiel s.o.) und Beobachtungsmaterial bei der BAV gibt.

Schwächere Veränderliche

Das Gros der Veränderlichen im Orionnebel sind junge, irregulär veränderliche Sterne, oft einfach "Orion-Veränderliche" genannt. Irregulär heißt, dass konstante Phasen von Wochen und Monaten vorkommen, bis der Stern wieder etwas Interessantes zeigt.

Einige wenige dieser Sterne sind zum einen sehr rasch wechselnd, zum anderen haben sie einen Lichtwechsel mit großen Amplituden. Zwei davon stehen in unmittelbarer Nähe vom Trapez: AF Ori und V494 Ori. Zunächst eine Animation, die am eindrucksvollsten die genannten Eigenschaften illustriert:

Animation von AF Ori und V494 Ori

AF Ori und V494 Ori. Animation aus zwei Aufnahmen auf Farbfilm (Quelle: www), Folgeverarbeitung von mir.
Die Aufnahme, die AF Ori hell zeigt, ist vom 9.1.1994, die andere vom 4.10.1997.
Fast jeder Stern dieser Aufnahme gilt übrigens als veränderlich...

AF Ori ist schon John Herschel bei seinen Untersuchungen zum Orion-Nebel aufgefallen. Erst durch Otto Struve, der Herschels Aufzeichnungen auswertete, wurde dieser Fall bekannt. In der älteren Literatur wird deswegen manchmal von "Herschels Veränderlichen" gesprochen. Auch unter der Bezeichnung Bond 654 wird hier und da auf diesen Stern referenziert. Bei allen größeren Durchmusterungen des Orion-Nebels fiel die starke Veränderlichkeit des Sterns auf, wenn auch oft nur angegeben wird, dass die Amplitude bei der vorhandenen Zahl an Messungen mindestens einen bestimmten Wert überschreitet: diese Angabe ist ehrlich, denn wer könnte behaupten, die tatsächlichen Grenzen des Lichtwechsels verfolgt zu haben? Schon auf den beiden Aufnahmen, die als Grundlage für diese Animation dienen, hat der Stern nach meinen Messungen eine Amplitude von drei Größenklassen (12,3 bis 15,3 in V). Ich habe dabei die anhand des HST erstellte V-Sequenz nach Prosser, Stauffer, Hartmann et al (1994) als Grundlage genommen.

V494 Ori scheint ein ähnlicher Fall zu sein, allerdings existiert außer den wichtigsten Angaben (Position, Amplitude) nur wenig Material. Die Position wurde glücklicherweise von der GCVS-Gruppe kürzlich präzisiert (noch auf der GCVS-Version der GUIDE-8-CD ist die Position nicht exakt genug, um V494 Ori eindeutig zu identifizieren).

Die visuelle Beobachtung auch der helleren Sterne (AF Ori und V494 Ori sind für den durchschnittlich ausgerüsteten Amateuastronomen zu schwach) ist nur etwas für Fortgeschrittene, und auch diese müssen Geduld mitbringen. David H. Levy, Mitentdecker des berühmten Kometen Shoemaker-Levy, ein ausgewiesen sorgfältiger Beobachter, beschreibt es unübertrefflich so: "Orion variables are not toys to be played with in a leisurely hour after dinner...". Levy hat sechs Saisons lang bei jeder Gelegenheit mit dem selben Instrument und sorgfältiger Vorbereitung 22 dieser Sterne beobachtet. 12 bis 15 davon bezeichnet er als nahezu konstant und frustrierend, aber einige sind doch spannend:

NV Ori ist einer der Sterne, die Levy motiviert und bei der Stange gehalten haben: hier gibt es praktisch keine konstante Helligkeit. Mit einer Amplitude von über einer Größenklasse (9,6 bis 10,7 mag) ist er auch für kleinere Instrumente noch erreichbar.

V361 Ori zeigt nach einigen Beobachtern einen auffallenden Lichtwechsel, nach D.Levy oder auch nach den Messungen des Satelliten Hipparcos sind es nur einige Zehntel einer Größenklasse (8,1 bis 8,3).

T Ori ist interessanter. Gegenwärtig (Dezember 2002) zwar hell, kann der Stern tiefe Abstürze bis unter die 12. Größenklasse zeigen und in der hellen Nebel-Umgebung für ein 20cm-Teleskop zur Herausforderung werden.

Die Ursache des Lichtwechsels bei den meisten Orion-Veränderlichen und auch bei T Ori vermutet man in zirkumstellaren Material, dessen unregelmäßige Dichte oder Konzentration um einen Begleitstern manchmal einen Bedeckungslichtwechsel vortäuscht, ohne dass sich allerdings die Sterne selber bedecken - teilweise hat man diese Sterne deswegen auch Proto-Algols oder Quasi-Algols genannt.

Literatur:

Robert Burnham Jr. Burnham's Celestial Handbook, Dover Publications 1978
C.Lloyd and D.J.Stickland "The Nature of the Bright Early-Type Eclipsing Binary Theta 1 Ori A = V1016 Orionis. IBVS 4809, 26.11.1999
David H. Levy "The Orion Variables: A Symphony of Delicacy and Brilliance", in: Journal of the AAVSO 12, No.2, S.66 (1983)
Marvin E. Baldwin "The Strange Case of Theta-1 Orionis A" in "AAVSO Eclipsing Binary Update" No.11, April 2001
R.Mundt and U.Bastian "UBV-Photometry of Young Emission-Line Objects", Astron. & Astrophys.Suppl.Ser. 39, 245-250 (1980)
V.S.Shevchenko et al "Proto-Algols and quasi-Algols", Pis'ma Astron. Zh. 19, 334-347 (April 1993)
V.S.Shevchenko et al "Periodic Phenomena in Ae/Be Herbig Stars Light Curves. I. Light Curves Classification and Digital Analysis Methods", Ap.S.Sc 202, 121-136 (1993)
V.S.Shevchenko et al "Periodic Phenomena in Ae/Be Herbig Stars Light Curves. II. Results and Probable Interpretation for Selected Stars", Ap.S.Sc 202, 137-154 (1993)
G.H.Herbig and D.M.Terndrup "The Trapezium Cluster of the Orion Nebula", Ap.J 307, 609-618 (1986)
Ch.F.Prosser, J.R.Stauffer, L.Hartmann et al "HST-Photometry of the Trapezium-Cluster", Ap.J. 421, 517-541 (1994)
W.Herbst and P.C.Stine "Photometric Variations of Orion Population Stars. III. RY Tau, T Ori, NV Ori, and HH Aur", AJ 89, 1716-1720 (1984)
B.F.Jones and M.F.Walker "Proper Motions and Variabilities of Stars near the Orion Nebula", AJ 95, 1755-1782 (1988)
Su-Shu Huang "Interpretation of BM Orionis", ApJ 195, 127-135 (1975)


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Autor: Béla Hassforther. Letzte Änderung: 09.03.2003
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