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CH Cygni - der hellste Vertreter der Symbiotischen Sterne

CH Cyg 1980
CH Cyg am 23.07.1980. Im Vergleich zu
heute fällt die enorme Helligkeit auf - das
Maximum ist aber noch nicht erreicht.
Aufnahme mit 1,4/50 auf Ektachrome 400.
CH Cygni gehört mit SS Cygni, R Corona Borealis und R Scuti zu den Objekten, die seit Jahrzehnten in der Statistik der am häufigsten beobachteten Veränderlichen Sterne ganz oben stehen. Allen diesen Sternen gemeinsam ist, dass sie entweder vollkommen unberechenbar sind (wie R CrB) oder ihr Lichtwechsel zwar regelmäßig wiederkehrende Abläufe zeigt (Ausbrüche im Abstand von etwa 51 Tagen bei SS Cyg, RV-Tauri-Lichtwechsel mit einer Periode von rund 140 Tagen bei R Scuti), der Stern sich aber jederzeit ganz anders verhalten kann.

CH Cygni ist ein extremer Vertreter dieser für Beobachter besonders interessanten Spezies, und so ist es kein Wunder, dass er - obwohl von Helligkeit und Amplitude her ein typisches Anfängerobjekt - von kaum einem Veränderlichenbeobachter wieder aufgegeben wird.

Der historische Lichtwechsel von CH Cygni kann über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren rekonstruiert werden, wobei die richtige Karriere des Sterns erst mit einer Folge von Ausbrüchen ab den sechziger Jahren begann - bis dahin zeigte CH Cygni einen wenig spektakulären Lichtwechsel geringer Amplitude, wie er für Rote Riesen dieses späten Spektraltyps normal ist. CH Cygni hat sich in der Folge als ein besonders interessanter Vertreter der Symbiotischen Sterne herausgestellt. Diese Veränderlichenklasse besteht im Normallfall aus zwei sehr unterschiedlichen Sternen (meist einem Roten Riesen und einem Weißen Zwerg), die in eine gemeinsame Gashülle eingebettet sind, die durch den Massenverlust des Roten Riesen entsteht. Durch die räumliche Nähe der Sterne kommt es zu gegenseitigen Beeinflussungen der Komponenten, weswegen der Lichtwechsel als Kombination der Variabilität des kühlen Roten Riesen, des heißen Blauen Sterns, der gemeinsamen Hülle und eventueller Bedeckungen des kleinen heißen Sterns durch den kühlen großen Sterns gesehen werden muß. Der visuelle Beobachter beobachtet zwar einen relativ breiten Spektralbereich (von rot bis blau), dies aber integral und ohne die Möglichkeit, einzelne Farben gesondert zu betrachten. Der Deutung der gesehenen Erscheinungen sind damit zwar enge Grenzen gesetzt, dies tut der Spannung beim Beobachten aber keinen Abbruch.

Lichtkurve von CH Cyg
Abbildung 1) CH Cygni wird man mit einer einzigen Lichtkurve nicht gerecht: Die einzelnen Komponenten des Lichtwechsel haben typische Zeiten von Minuten (Flickering) bis zu über 100 Jahren (der Rote Riese wird immer schwächer). Hier also nur eine Lichtkurve der AFOEV, die sich auf den Lichtwechsel der letzten rund 30 Jahre konzentriert und den hellsten Teil des Ausbruchs in den achtziger Jahren beinhaltet, als CH Cyg mit bloßem Auge sichtbar war. In den letzten Jahren bewegt sich CH Cyg meist im Bereich 7,0 bis 8,5mag, ist also teilweise heller als in den letzten zwanzig Jahren. Aktuelle Kurven erhält man über die Lichtkurvengeneratoren der AAVSO und BAV.

Gerade bei CH Cyg hat sich herausgestellt, dass eine Beobachtung ausschließlich im visuellen Bereich nicht ausreicht, um auch nur ansatzweise ein Verständnis für das System zu gewinnen. Der Lichtwechsel der heißen Komponente und das Flickering ist am Ausgeprägtesten im Ultravioletten und im Blauen: Das Flickering zum Beispiel, welches in den Aktivitätsphasen einen leicht meßbaren Lichtwechsel im Minutenbereich (!) erzeugt, hat im Ultravioletten eine vergleichsweise große Amplitude von 0,4 mag, im Blauen noch von maximal 0,3 mag und im Visuellen wenig mehr als 0,1 mag. Auch der vermutete Bedeckungslichtwechsel ist fast nur im kurzwelligen Licht nachzuweisen: Registrieren läßt sich nur die Bedeckung der kleinen heißen Komponente durch den Roten Riesen, was zu einem deutlichen Rückgang der UV- und Blauanteile und zu einer Reduktion oder dem kompletten Verschwinden des Flickering für die Dauer der Bedeckung führt.

Der Lichtwechsel des Roten Riesen ist dagegen am besten im Visuellen, Roten und Infraroten nachweisbar. Der Rote Riese im System CH Cygni zeigt zum Beispiel einen zu Zeiten auch für visuelle Beobnachter sehr markanten Pulsationslichtwechsel von rund 100 Tagen Dauer, einen ebenfalls deutlich nachweisbaren Lichtwechsel von rund 750 Tagen (der verschieden gedeutet wird, meist aber als Rotationslichtwechsel), und mehrere eher schwache Nebenperioden. Die deutliche säkulare Helligkeitsabnahme des Roten Riesen wird als Hinweis auf einen Helium-Flash gedeutet

Eine in der Radialgeschwindigkeitskurve nachweisbare Periode von rund 14,5 Jahren Dauer meinen einige Bearbeiter auch in der Lichtkurve wiedergefunden zu haben. Gedeutet wird diese Periode als Hinweis auf eine Umlaufbewegung und damit als Hinweis auf einen dritten Körper.

Die Fülle der Phänomene, die CH Cygni zeigt, hat ihn zwar zu einem der meistuntersuchten Veränderlichen Sterne überhaupt gemacht (SIMBAD listet für den Zeitraum von 1983 bis 2004 die enorme Zahl von 402 Referenzen), allerdings konkurrieren auch heute noch mehrere Modelle um eine Erklärung des komplizierten Lichtwechsels. Das häufig vorgeschlagene Dreifach-Stern-Modell wird in zwei Varianten gehandelt, mehrere andere - gerade auch aktuelle - Lösungsansätze kommen wieder mit zwei Sternen aus.

Dass CH Cygni bei seinem großen Ausbruch auch einen Radio-Jet ausstieß und im Optischen Filamente zu beobachten sind, soll hier nur am Rande erwähnt werden, beobachtbar sind diese Erscheinungen mit Amateur-Instrumentarium nicht.

Jets von CH Cyg
Abbildung 2) Die mit dem 2,6m Nordic Optical Telescope (NOT) und dem Hubble Space Telescope (HST) nachweisbaren Filamente um CH Cygni. Beides schmalbandige Aufnahmen im Licht von OII. Man beachte den unterschiedlichen Maßstab. Quelle: Corradi et al.

Wer in die sehr reichhaltige Literatur einsteigen will, tut gut daran, zunächst den sehr brauchbaren AAVSO-Aufsatz zu lesen, dann den Übersichtsartikel von Mikolajewski et al anzusehen (mit dem Bewußtsein, dass weder die hier gegebene Interpretation der Lichtkurve der letzten 100 Jahre noch das vorgeschlagene Systemmodell unwidersprochen geblieben ist), den Beitrag von Munari et al zu lesen, der erstmals die Infrarothelligkeiten über einen längeren Zeitraum analysiert (ältere Aufsätze sind eher auf UBV fokussiert) und sich dann zu neuerer Literatur vortasten.

 

Literatur:

AAVSO Lichtkurvengenerator: www.aavso.org/data/lcg/
AAVSO Umgebungskarte: www.aavso.org/cgi-bin/searchcharts3.pl?name=ch%20cyg
BAV Lichtkurvengenerator: www.bav-astro.de/datenbank/lkg.html
Corradi, R. et al: The large-scale ionized outflow of CH Cygni, http://de.arxiv.org/abs/astro-ph/0109046
Davis, K.: CH Cygni (AAVSO Variable Star of the Month, August 2000): www.aavso.org/vstar/vsots/0800.shtml
Mikolajewski, M. et al: The long-period symbiotic binary CH Cygni:
    I. A hundred years' history of variability, Astron. Astrophys. 235, 219(1990)
    II. The M giant component: increasing pulsation period and spot-like activity, Astron. Astrophys. 254, 127 (1992)
Munari, U. et al: UBV-JHKLM photometry of CH Cygni over 1978-1995: dust properties and doubts on the triple star model, Astron. Astrophys. 311, 484 (1996)

Katalogdaten

(GCVS-Online-Version)
Position (2000): RA 19h24m33 Dekl. +50'14.5"
Helligkeit: 5,60 - 8,49 [das stimmt definitiv nicht, 5,6 - 10,5 ist korrekter]
Perioden: 97d, 4700d, 725d und unregelmäßig
Typ: ZAND+SR


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Autor: Béla Hassforther. Letzte Änderung: 25.03.2006
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