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Der halbregelmäßig Veränderliche RW Boo

Es gibt so viele Veränderliche Sterne am Himmel, daß es für Fachastronomen heute noch immer nahezu unmöglich ist, kontinuierlich deren Lichtwechsel zu überwachen. Und gibt es regelmäßige Himmelsdurchmusterungen (fotografisch oder mit CCD), dann müssen diese ausgewertet werden - und auch dafür fehlt oft die Zeit. Unter diesen Bedingungen haben Amateure immer noch die Möglichkeit, das Wissen um den Lichtwechsel Tausender Veränderlicher Sterne mit einfachstem Instrumentarium zu vermehren. Die Voraussetzungen dafür lassen sich auf drei Punkte reduzieren, die die persönliche Einstellung, das Instrument und die Möglichkeit zur Veröffentlichung dieser Ergebnisse betreffen:

Welchen Stern man für sein Beobachtungsprogramm "adoptiert", kann von vielen Faktoren abhängen: dem zur Beobachtung verfügbaren Himmelsausschnitt, der Lage der Vergleichssterne, die Amplitude etc pp. Ich möchte hier beschreiben, wie ich zu RW Boo, einem meiner knapp vierzig Programmsterne gekommen bin, und was ich über ihn herausgefunden habe.

RW Boo ist auf dem ersten Blick ein ganz typischer Halbregelmäßiger. Seine Daten im "General Catalogue of Variable Stars" könnten nicht durchschnittlicher sein: er soll eine Periode von 209 Tagen haben und einen Lichtwechsel von 8 mag bis 9,5 mag haben. Was aber auch fast typisch ist: diese Werte müssen nicht korrekt sein. Gerade die Halbregelmäßigen Sterne werden selten beobachtet, weil die Amplitude oft recht gering ist und deswegen schon etwas Erfahrung beim Beobachter voraussetzt werden muß, aber auch wegen der Notwendigkeit, nicht nur eine Nacht oder eine Saison zu beobachten, sondern möglichst kontinuierlich über mehrere Jahre: nur dann erschließt sich der Lichtwechsel.

Ich habe RW Boo aus mehreren Gründen in mein Beobachtungsprogramm aufgenommen: Dank seiner Helligkeit ist RW Boo auf den wichtigen Sternkarten verzeichnet, z.B. dem SkyAtlas 2000. Die beiden folgenden mit GUIDE 6.0 erzeugten Abbildungen zeigen die Umgebung des Sterns genauer und führen auch die verwendeten Vergleichssterne mit den von mir angenommenen Helligkeiten auf:

Karte von RW Boo Karte von RW Boo

RW Boo wurde 1910 von Fleming als veränderlich erkannt, wobei aber schon vorher eine Veränderlichkeit von Espin vermutet wurde. Zunächst wurden von verschiedenen Beobachtern nur kleinere Beobachtungsreihen durchgeführt, was zu keiner sicheren Bestimmung des Lichtwechsels führte. Von Anfang 1928 bis zunächst Herbst 1930 führte dann F.Lause eine Beobachtungsreihe durch, deren Ergebnis er in den Astronomischen Nachrichten veröffentlichte. Er fand einen schönen Lichtwechsel mit knapp 373 Tagen Periode und eine Amplitude größer als eine Größenklasse (AN 241,1931, 19). Die Fortsetzung seiner Beobachtungen bis Ende 1933 verwies auf eine eher längere Periode, teilweise auch Phasen sehr geringen Lichtwechsels. In den Veränderlichenkatalog wurden aber nicht diese visuellen Beobachtungen übernommen, sondern das Ergebnis langer fotografischer Reihenbeobachtungen eines Teams um S.Gaposchkin. Das Team um Gaposchkin bestimmte die Periode eines Sterns aus abgeleiteten Maxima und Minima, wobei allerdings Amplituden bis hinunter zu 0,2 mag genannt werden. Damit ist aber auch die Gefahr sehr groß, eventuelle Lichtkurvenunregelmäßigkeiten als normalen Lichtwechsel zu interpretieren. Das Ergebnis der Gaposchkin-Gruppe wird bis heute in den Katalogen als gültig geführt.

Ich beobachte RW Boo seit Frühjahr 1989 regelmäßig, wobei regelmäßig bedeutet, den Stern auch am Morgenhimmel zu schätzen. Dadurch halten sich die Beobachtungslücken in Grenzen und werden selten länger als 6 Wochen. Bis zum März 1998 habe ich genau 300 Beobachtungen gewonnen, was einen Schnitt von einer Beobachtung in 11 Tagen entspricht. Die folgende Abbildung zeigt den Lichtwechsel über den gesamten Zeitraum. Sieht man von angedeuteten Doppelmaxima einmal ab, dann ist der Lichtwechsel relativ regelmäßig mit einer Amplitude von etwa 0,7 mag und einer Länge von knapp 411 Tagen. Das Maximum liegt im Schnitt bei 8,0 mag, das Minimum bei 8,6 mag, die durchschnittliche Amplitude ist also ca 0,6 mag. Das ist nicht viel, aber da ich immer vier Vergleichssterne benutze, werden die Werte recht sicher. Es fällt auf, daß das Maximum breiter ist als das Minimum, welches im Allgemeinen eher kurz und spitz ausfällt.

Lichtwechsel von RW Boo

Die Periode eines Sterns kann auf verschiedene Art und Weise bestimmt werden:

Die erste Methode ergibt knapp 411 Tage, die zweite Methode rund 402 Tage, also eine brauchbare Übereinstimmung. Beide Werte können mit den Ergebnissen von F.Lause verglichen werden, vor allem mit seinem längeren Beobachtungszeitraum, widersprechen aber vollkommen dem Wert von Gaposchkin und damit dem "General Catalogue of Variable Stars". Gibt es Vergleichsbeobachtungen? Seitdem das Internet erlaubt, sich von überall her Daten zu holen, ist es ein leichtes, die Datenbestände einiger Veränderlichenorganisationen anzuzapfen. Nun gibt es gerade für RW Boo nicht viele Daten, aber das vorhandene Material betätigt sehr schön meine eigenen Auswertungen.

Mit diesem kleinen Beitrag sollte gezeigt werden, daß man mit etwas gutem Willen und mit kleinster Ausrüstung im Bereich der Veränderlichen Sterne auch heute noch sinnvolle Beobachtungen durchführen kann.


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Autor: Béla Hassforther. Letzte Änderung: 13.01.2003 (content: 1998)
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