Der halbregelmäßig Veränderliche RW Boo
Es gibt so viele Veränderliche Sterne am Himmel, daß es für Fachastronomen heute
noch immer nahezu unmöglich ist, kontinuierlich deren Lichtwechsel zu überwachen. Und
gibt es regelmäßige Himmelsdurchmusterungen (fotografisch oder mit CCD), dann
müssen diese ausgewertet werden - und auch dafür fehlt oft die Zeit. Unter diesen
Bedingungen haben Amateure immer noch die Möglichkeit, das Wissen um den
Lichtwechsel Tausender Veränderlicher Sterne mit einfachstem Instrumentarium
zu vermehren. Die Voraussetzungen dafür lassen sich auf drei Punkte reduzieren, die
die persönliche Einstellung, das Instrument und die Möglichkeit zur Veröffentlichung
dieser Ergebnisse betreffen:
- Persönliche Einstellung: man sollte Geduld aufbringen! Es ist wenig
damit getan, einen Stern einige Monate zu verfolgen - einige Jahre sollten
es schon sein. Je länger und je kontinuierlicher, desto besser.
- Das Instrument: es ist zwar möglich, auch mit bloßem Auge
Veränderlichenbeobachtung zu betreiben, ein Feldstecher ist aber im
Allgemeinen die Grundausstattung. Nach oben hin gibt es keine Grenze
des Beobachtungsinstruments, wohl aber erheblich mehr Aufwand beim
Beobachten selber.
- Verfügbarmachen der Ergebnisse: die Beobachtungen mögen zwar
individuell befriedigend sein und Spaß machen, verwertbar werden sie aber
nur, wenn sie öffentlich gemacht werden. Die Beobachtungen müssen also mehr
oder weniger standardisiert an eine Sammelstelle weitergeleitet werden, und eine
erste Auswertung kann als Aufsatz an eine Zeitschrift gegeben werden. Zur
Hilfestellung beim Beobachten und bei der Weiterverwertung der Ergebnisse
gibt es die Veränderlichenorganisationen, in Deutschland die
"Bundesdeutsche
Arbeitsgemeinschaft für Veränderliche Sterne", die BAV.
Welchen Stern man für sein Beobachtungsprogramm "adoptiert", kann von vielen
Faktoren abhängen: dem zur Beobachtung verfügbaren Himmelsausschnitt,
der Lage der Vergleichssterne, die Amplitude etc pp. Ich möchte hier beschreiben,
wie ich zu RW Boo, einem meiner knapp vierzig Programmsterne gekommen bin,
und was ich über ihn herausgefunden habe.
RW Boo ist auf dem ersten Blick ein ganz typischer Halbregelmäßiger. Seine
Daten im "General Catalogue of Variable Stars" könnten nicht durchschnittlicher
sein: er soll eine Periode von 209 Tagen haben und einen Lichtwechsel von
8 mag bis 9,5 mag haben. Was aber auch fast typisch ist: diese Werte müssen
nicht korrekt sein. Gerade die Halbregelmäßigen Sterne werden selten
beobachtet, weil die Amplitude oft recht gering ist und deswegen schon etwas Erfahrung beim
Beobachter voraussetzt werden muß, aber auch wegen der Notwendigkeit, nicht nur eine Nacht oder
eine Saison zu beobachten, sondern möglichst kontinuierlich über mehrere Jahre: nur
dann erschließt sich der Lichtwechsel.
Ich habe RW Boo aus mehreren Gründen in mein Beobachtungsprogramm aufgenommen:
- er ist so hell, daß er auch im Minimum mit dem Feldstecher leicht zu sehen ist
- er ist fast das ganze Jahr beobachtbar
- es befinden sich weitere leicht zu beobachtende Sterne in seiner Nähe,
die auch zu meinem Beobachtungsprogramm gehören und gleich mitgeschätzt
werden können
- er hat mehrere günstige Vergleichssterne um sich und ist leicht zu finden
- es gibt keine neueren Untersuchungen oder längere Beobachtungsreihen
Dank seiner Helligkeit ist RW Boo auf den wichtigen Sternkarten verzeichnet, z.B.
dem SkyAtlas 2000. Die beiden folgenden mit GUIDE 6.0 erzeugten
Abbildungen zeigen die Umgebung des Sterns genauer und führen auch
die verwendeten Vergleichssterne mit den von mir angenommenen
Helligkeiten auf:
RW Boo wurde 1910 von Fleming als veränderlich erkannt, wobei aber schon vorher
eine Veränderlichkeit von Espin vermutet wurde. Zunächst wurden von verschiedenen
Beobachtern nur kleinere Beobachtungsreihen durchgeführt, was zu keiner sicheren
Bestimmung des Lichtwechsels führte. Von Anfang 1928 bis zunächst Herbst 1930
führte dann F.Lause eine Beobachtungsreihe durch, deren Ergebnis er in den
Astronomischen Nachrichten veröffentlichte. Er fand einen schönen Lichtwechsel
mit knapp 373 Tagen Periode und eine Amplitude größer als eine Größenklasse
(AN 241,1931, 19). Die Fortsetzung seiner Beobachtungen bis Ende 1933 verwies
auf eine eher längere Periode, teilweise auch Phasen sehr geringen Lichtwechsels.
In den Veränderlichenkatalog wurden aber nicht diese visuellen Beobachtungen
übernommen, sondern das Ergebnis langer fotografischer Reihenbeobachtungen
eines Teams um S.Gaposchkin. Das Team um Gaposchkin bestimmte die Periode
eines Sterns aus abgeleiteten Maxima und Minima, wobei allerdings Amplituden bis
hinunter zu 0,2 mag genannt werden. Damit ist aber auch die Gefahr sehr groß,
eventuelle Lichtkurvenunregelmäßigkeiten als normalen Lichtwechsel zu interpretieren.
Das Ergebnis der Gaposchkin-Gruppe wird bis heute in den Katalogen als gültig geführt.
Ich beobachte RW Boo seit Frühjahr 1989 regelmäßig, wobei regelmäßig
bedeutet, den Stern auch am Morgenhimmel zu schätzen. Dadurch halten sich die
Beobachtungslücken in Grenzen und werden selten länger als 6 Wochen.
Bis zum März 1998 habe ich genau 300 Beobachtungen gewonnen,
was einen Schnitt von einer Beobachtung in 11 Tagen entspricht. Die folgende Abbildung
zeigt den Lichtwechsel über den gesamten Zeitraum. Sieht man von angedeuteten
Doppelmaxima einmal ab, dann ist der Lichtwechsel relativ regelmäßig mit einer
Amplitude von etwa 0,7 mag und einer Länge von knapp 411 Tagen. Das Maximum
liegt im Schnitt bei 8,0 mag, das Minimum bei 8,6 mag, die durchschnittliche
Amplitude ist also ca 0,6 mag. Das ist nicht viel, aber da ich immer vier
Vergleichssterne benutze, werden die Werte recht sicher. Es fällt auf, daß das Maximum
breiter ist als das Minimum, welches im Allgemeinen eher kurz und spitz ausfällt.
Die Periode eines Sterns kann auf verschiedene Art und Weise bestimmt werden:
- man bestimmt Maxima bzw Minima aus der gezeichneten Lichtkurve und
ermittelt daraus die Elemente des Lichtwechsels
- man füttert ein Periodensuchprogramm mit den einzelnen Werten
und interpretiert das resultierende Periodogramm
Die erste Methode ergibt knapp 411 Tage, die zweite Methode rund 402 Tage,
also eine brauchbare Übereinstimmung. Beide Werte können mit den Ergebnissen von
F.Lause verglichen werden, vor allem mit seinem längeren Beobachtungszeitraum, widersprechen
aber vollkommen dem Wert von Gaposchkin und damit dem "General Catalogue
of Variable Stars". Gibt es Vergleichsbeobachtungen? Seitdem das Internet erlaubt,
sich von überall her Daten zu holen, ist es ein leichtes, die Datenbestände einiger
Veränderlichenorganisationen anzuzapfen. Nun gibt es gerade für RW Boo nicht
viele Daten, aber das vorhandene Material betätigt sehr schön meine eigenen
Auswertungen.
Mit diesem kleinen Beitrag sollte gezeigt werden, daß man mit etwas gutem
Willen und mit kleinster Ausrüstung im Bereich der Veränderlichen Sterne
auch heute noch sinnvolle Beobachtungen durchführen kann.
Autor: Béla Hassforther.
Letzte Änderung: 13.01.2003 (content: 1998)
Adresse dieser Seite: http://www.bela1996.de/astronomy/boo-rw.html