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Beta Lyrae - ein Bedeckungsveränderlicher für Anfänger und Fortgeschrittene

Möchte man auf einer Urlaubsreise in den Süden das - hoffentlich - garantiert gute Wetter zu astronomischen Beobachtungen nutzen, will sich aber nicht mit optischen Hilfsmitteln belasten, dann bietet sich die Beobachtung des berühmten Veränderlichen Beta Lyrae an. Ein oder zwei Beobachtungen mit dem bloßen Auge pro Abend, einige Wochen konsequent verfolgt, lassen den charakteristischen Lichtwechsel dieses Namensgebers einer ganzen Veränderlichenklasse deutlich hervortreten: Meist scheint die Helligkeit nur unwesentlich zu schwanken, aber alle 13 Tage ist der Stern deutlich schwächer.

Beta Lyrae Animation
Abbildung 1) Bahnbewegung: Vom
Maximum zum Hauptminimum,
dann wieder Maximum, dann
weiter zum Nebenminimum
An Beta Lyrae lassen sich die Probleme des Studiums von Veränderlichen schön demonstrieren. Der Stern ist mit dem bloßen Auge beobachtbar, deswegen schon lange bekannt, und Dank seiner Helligkeit können auch neue Techniken problemlos angewandt werden, zum Beispiel wenn neue Spektralbereiche für die Beobachtung erschlossen werden.

Die visuelle Beobachtungsgeschichte ist eine der längsten für einen Veränderlichen überhaupt: Minima werden seit 1784 beobachtet (John Goodricke), seit 1840, als Joseph Baxendell mit seiner 37 Jahre langen Beobachtungskampagne begann, gibt es keine längeren Beobachtungslücken mehr. Auch die für Doppelsterne wichtigen Radialgeschwindigkeitsmessungen reichen weiter in die Vergangenheit zurück als für die meisten anderen Systeme: Messungen an Beta Lyrae werden seit 1893 durchgeführt. Beobachtet wurde unser Stern von den größten und bekanntesten Teleskopen sowohl auf der Erde als auch im All (HST, Voyager, die Shuttle-basierte Astro-2-Mission usw.)

Anhand der unzähligen beobachteten Minima konnte eine erstaunlich deutliche und stetige Periodenzunahme von 19 Sekunden pro Jahr bestimmt werden. Der Wert mag klein erscheinen, summiert sich aber im Lauf der Jahre: Zur Zeit der Beobachtungen von John Goodricke (1784) betrug die Periode des Lichtwechsels 12,89 Tage, 200 Jahre später war die Periode schon auf 12,94 Tage angewachsen.

Der Text im berühmten Burnham's Celestial Handbook zum Stern mag veraltet sein, aber eine Bemerkung ist aktueller denn je, nämlich dass es sich bei Beta Lyrae um einen der frustrierendsten interessanten Sterne überhaupt handelt. Über zwei Jahrhunderte Beobachtungen und Modellrechnungen haben noch immer nicht zu einem allgemein anerkannten Modell geführt, welches alle Beobachtungen abdeckt. Favorisiert wird gegenwärtig folgendes Modell: Ein B7II-Stern mit einigen Sonnenmassen verliert Materie an ein schlecht beziehungsweise gar nicht verstandenes Objekt von 12 bis 15 Sonnenmassen. Dieser Stern kann nicht direkt nachgewiesen werden, man geht aber davon aus, dass es sich um einen Hauptreihenstern handelt. Unsichtbar ist der Stern, weil er von einer dichten Hülle umgeben ist, über deren Masse sich die Bearbeiter streiten (vgl. Abb. 1). Die Massenübertragung vom sichtbaren leichteren Begleiter zum massereicheren unsichtbaren Hauptstern ist Ursache der stetigen Periodenänderung. Das Hauptproblem der Beobachtung dieses Sterns liegt darin, dass man immer die Summe der Strahlung des Begleitstern und der Hülle sieht, den Hauptstern aber nicht nachweisen kann. Und die Spektren der sichtbaren Komponenten (Begleiter und Hülle) sind sehr kompliziert.

Weitere sogar visuelle Beobachtungen gelten auch heute noch als wertvoll, denn langjährige Beobachtungsreihen sind auch bei häufig beobachteten Sternen immer für eine Überraschung gut: So ist man erst vor einigen Jahren einer erstaunlich deutlichen und in verschiedenen Datensets nachweisbaren Periodizität von 283 Tagen bei Beta Lyrae auf die Spur gekommen.

Nichts geht über die eigene Erfahrung. Sind nach der Anregung am Anfang dieses Beitrages genügend Beobachtungen zusammengekommen, indem man zum Beispiel Gamma Lyrae als Vergleichsstern nutzt, kann man bei mindestens 40 vorhandenen Werten eine kleine Schnellanalyse machen. Das geschieht in zwei Schritten:

Zunächst werden alle Beobachtungen in eine fortlaufende Datumszählung gebracht, entweder indem man das Julianische Datum nutzt, oder indem man die erste Beobachtung als Beobachtung am Tag 0 bezeichnet und entsprechend hochzählt. Am Schluß des ersten Schrittes ist eine Liste entstanden, die drei Spalten enthält: Das Datum, die Helligkeit, und eine Abschätzung der Genauigkeit, Beispiel: ... 3055.42 3.55 0.2 3056.39 3.35 0.2 3057.41 3.3 0.2 3058.46 3.8 0.2 3059.39 4.3 0.2 ... Diese Liste wird als Datei abgespeichert, zum Beispiel als betalyrae.dat.

Für den zweiten Schritt holt man sich die freie Software PerSea (Autor Gracjan Maciejewski) von der unten angegebenen URL und lädt die im ersten Schritt erstellte Datei (im Beispiel handelt es sich um eigene Beobachtungen, die während mehrerer Griechenlandreisen gewonnen wurden). Schon die Voreinstellung der Software ermittelt problemlos die korrekte Periode und zeigt sofort alle Beobachtungen auf einen gemeinsamen Zeitraum reduziert an, zusammen mit anderen Informationen (Abbildung 2). Natürlich ist das Ergebnis keine "schöne" druckfähige Darstellung der Lichtkurve: Dieser Schritt dient der Analyse der Beobachtungen. Für eine nach eigenem Geschmack aufbereitete Lichtkurve ist die ebenfalls freie Software AVE weit geeigneter.

Analyse von Beta Lyrae mit PerSea
Abbildung 2) Eigene visuelle Schätzungen von Beta Lyrae aus vier Sommern, reduziert und dargestellt mit der freien Software PerSea.

Hilfestellungen bei dieser Art von Auswertungen kann man von der Bundesdeutschen Arbeitsgemeinschaft für Veränderliche Sterne (BAV) erhalten.

 

Beta Lyrae als visueller Doppelstern

Schon mit einem einfachen Feldstecher läßt sich die Komponente B beobachten, ein Stern der Helligkeit 6,7v in einem Abstand von 46". Schwieriger, aber noch mit einem kleinen Teleskop sichtbar, sind die Komponenten E (Helligkeit 9,9v, Abstand 67") und F (Helligkeit 9,9v, Abstand 86"). Die Komponenten C und D sind sehr viel schwächer.
Mehrfachsystem Beta Lyrae
Abbildung 3) Mehrfachsystem Beta Lyrae, Feldgröße 183" x 183".

Die Komponenten des Mehrfachsystems sind zu weit von uns entfernt, um eine einigermaßen sichere Entfernung abzuleiten. Selbst dem Astrometrie-Satelliten Hipparcos ist dies bei dem Hauptstern nur mit großer Unsicherheit behaftet gelungen. Allerdings haben die genannten Komponenten A, B, E und F eine vergleichbare Bewegung am Himmel (sind CPM-Stars). Meist wird die Komponente E aber nur als optische Komponente interpretiert.

 

Literatur:

Bruton, Dan et al: Watching Beta Lyrae Evolve, http://www.physics.sfasu.edu/astro/betalyra/index.html

Burnham's Celestial Handbook, Vol. 2, 1144ff, Dover Publications 1978

Harmanec, P.: The ever challenging emission-line binary beta Lyrae, AN 323, no.2, 87-98 (2002)

Hoffman, J.: Beta Lyrae, http://www.grammai.org/jhoffman/betlyr/

Linnell, A.P.: Progress on a model for Beta Lyrae, Mon. Not. R. Astron. Soc. 319,255-266 (2000)

Wilson, R.E., Van Hamme, W.: Periodicities and regulatory mechanisms in Beta Lyrae, Mon. Not. R. Astron. Soc. 303, 736-754 (1999)

PerSea 2.0: http://www.astri.uni.torun.pl/~gm/

AVE: http://www.astrogea.org/soft/ave/aveint.htm, alternativ: http://usuarios.lycos.es/rbarbera/AVE/AveInternational.htm


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Autor: Béla Hassforther. Letzte Änderung: 06.12.2004
Adresse dieser Seite: http://www.bela1996.de/astronomy/beta-lyrae.html