Aus der Sektion "Halb- und Unregelmäßige", 4-2001

Projekt RV-Tauri-Sterne: erste Ergebnisse zu CT Ori

Im Rundbrief 3/1999 habe ich den widersprüchlichen Kenntnisstand zu CT Ori zusammengefasst und eine Beobachtung angeregt. Eine kurze Rekapitulation: im GCVS steht CT Ori mit Angaben zur Helligkeit und zur Periode mit Genauigkeiten auf die zweite Nachkommastelle (Lichtwechsel von 9,14 bis 12,39 visuell mit einer Periode von 135,52 Tagen). In einer 15-monatigen Beobachtungskampagne hat der erfahrene amerikanische Beobachter Daniel Horvitz aber einen Lichtwechsel von nur 10,0 bis 11,2 bei einer Periode von 33 oder 66 Tagen gefunden. Ein problematischer und deswegen also schöner Fall für das Projekt RV-Tauri-Sterne.

Neben sporadischen Beobachtungen von einigen anderen BAV-Beobachtern liegen inzwischen zwei Beobachtungsreihen vor: Eckard Born hat den Stern in sein Veränderlichenprogramm aufgenommen und in den ersten beiden Jahren 67 Schätzungen gewonnen, und ich habe ihn auf einem zunächst nur kleinen Teil des verfügbaren Sonneberger Materials von über 800 Platten bearbeitet und 149 Blauhelligkeiten ermittelt. Was läßt sich als Zwischenergebnis berichten?

Lichtkurve von CT Ori 1999

Abb. 1) Lichtkurve von CT Ori 1999, Beobachter: Eckhard Born

Sowohl bei der visuellen als auch bei der fotografischen Lichtkurve sind die Lücken störend: CT Ori ist ein Winterobjekt, oft unterbrechen deswegen lange Schlechtwetterperioden für längere Zeit die Beobachtungsreihen, was besonders störend bei der kurzen Periode von CT Ori ist. Als Beispiel in der Abbildung 1) die Beobachtungen von Herrn Born von 1999. Obwohl Herr Born ein BAV-Beobachter mit besondes dicht besetzten Beobachtungsreihen ist, gelingt sogar hier - in der ersten, dichter beobachteten Saison - nicht die Überdeckung eines ganzen Zyklus. Man kommt also nicht darum herum, eine Reduzierung aller Beobachtungen auf einen gemeinsamen Zeitraum zu versuchen.

Reduzierte Lichtkurve von CT Ori

Abb. 2) Mit P = 67,375 Tagen reduzierte Lichtkurve von CT Ori, Beobachter: Eckhard Born

Eine Periodensuche über die 67 vorliegenden Beobachtungen aus zwei Jahren ergibt wahrscheinliche Perioden von 33,69 bzw 67,38 Tagen in guter Übereinstimmung mit Horvitz. Faltet man das Material mit der Periode von 67,38 Tagen, erhält man die Abbildung 2, die bei aller gebotenen Vorsicht wegen der noch etwas zu geringen Anzahl von Datenpunkten doch ganz nett einen RV-Tauri-Lichtwechsel andeutet - allerdings mit der abschreckend geringen Amplitude von ca 0,55 mag.

Im September habe ich in Sonneberg einen ersten Anlauf gemacht, CT Ori auf Platten der SHÜ zu bearbeiten. Ich vermute, dass der Stern auf über 800 Platten zu schätzen wäre, bearbeiten konnte ich in der verfügbaren Zeit nur 149 Platten des Zeitraums Oktober 1967 bis Februar 1975. Als normale Lichtkurve geplottet erkennt man wegen der geringen Anzahl der Werte pro Jahr bei der doch recht kurzen Periode keinen vernünftigen Lichtwechsel. Immerhin läßt sich aus so einer Darstellung ein RVB-Lichtwechsel recht sicher ausschließen. Eine Periodensuche liefert einen Wert von 67,568 Tagen - und damit geplottet sieht der Lichtwechsel trotz der vergleichsweise großen Streuung plötzlich sehr vernünftig aus:

CT Ori, photographische Lichtkurve

Abb 3) Mit P = 67,568 Tagen reduzierte Lichtkurve von CT Ori, Bearbeiter: Béla Hassforther

Aus dem bisher vorhandenen visuellen und photografischen Material würde ich den Schluß ziehen, dass CT Ori ein normaler RV-Tau-Veränderlicher des Typs RVA ist, allerdings ist der Katalogwert für die Periode (135,52 Tage) zu halbieren. Auch die angegebene Amplitude scheint nicht korrekt zu sein, eine maximale Amplitude von unter einer Größenklasse erscheint realistischer.

Private Programme: TV Gem und BU Gem (Jörg Neumann)

Jörg Neumann gehört zu den - rein von der Masse an Beobachtungen gesehen - produktivsten Halbregelmäßigen-Beobachtern. Ob sein Beobachtungsprogramm optimal auf seine Rahmenbedingungen zugeschnitten ist sei dahingestellt. Immerhin sind inzwischen für mehrere Sterne Beobachtungsreihen von über zehn Jahren zusammengekommen, eine große Leistung, gerade auch im Hinblick auf die für visuelle Beobachter ausgesprochen schwierigen Programmsterne seiner Wahl.

Zwei dieser Programmsterne sollen nun vorgestellt werden, TV Gem und BU Gem. Beide Sterne werden stets mit dem gleichen Insrument, einem 7x50 Feldstecher, und mit den gleichen Vergleichssternen beobachtet: das ist kein Problem, da die Sterne nur ein Grad auseinanderstehen.

Selbstverständlich wird im Herbst auch am Morgenhimmel beobachtet, um die Beobachtungssaison zu strecken. Wie bei Objekten dieser Art nicht anders zu erwarten kann dem Beobachter schon einmal die Frustration ankommen: so wurde die Beobachtung beider Sterne am Anfang für längere Zeit unterbrochen. Man ärgert sich zwar im Nachhinein darüber, aber geschehen ist geschehen - mit dieser Erfahrung haben sicher schon viele Beobachter leben müssen.

Die Ergebnisse von Herrn Neumann habe ich wegen der Schwierigkeit der Objekte vorsichtshalber sehr intensiv mit den Ergebnissen anderer Beobachter verglichen: demnach ist der Lichtwechsel bei beiden Sternen überraschend gut erfaßt und läßt sich beispielsweise leicht mit den Gemeinschaftslichtkurven der AAVSO vergleichen.

TV Gem

Angaben aus dem GCVS: Amplitude 8,54 - 9,8 im Blauen, Typ SRc, Spektraltyp K5.5-M1.3Iab bzw M1:Ia nach neueren Quellen. Visuell ist der Stern ca zwei Größenklassen heller.

Deutlich sind mehrere Komponenten des Lichtwechsels zu unterscheiden: zunächst eine sehr allmähliche Helligkeitsänderung, deren charakteristische Zeitdauer in der Größenordnung von deutlich über zweitausend Tagen liegt. Einem Minimum bei 2448800, welches sich deutlicher in der reduzierten Höhe der Maxima als in der Tiefe der Minima bemerkbar macht, folgt bei ca 2451300 das nächste Minimum. Der Langzeitkurve der AAVSO kann man entnehmen, dass Zyklen von etwa 2500 Tagen Dauer typisch sind.

Diesem Lichtwechsel überlagert sind "kurzfristige" Änderungen von schwierig zu erkennender Zyklenlänge: Herr Neumann vermutet eine kurze Periode und eine weitere Periode von ca 300 Tagen, dem würde ich allerdings nicht zustimmen. Mein Periodensuchprogramm liefert einen Wert von ca 424 Tagen - aber auch dieser Wert ist nur mit etwas gutem Willen in der Lichtkurve wiederzufinden. Nebenbei: auch die vorhandenen Parallelbeobachtungen sind hier nicht aussagekräftiger. Herr Neumann hat zugesichert, die Beobachtung fortzusetzen: mit einem längeren Zeitstrahl dieses homogenen Datensets sind vielleicht in der Zukunft genauere Aussagen möglich.

TV Gem, Lichtkurve

Abb. 4) Lichtkurve von TV Gem, Beobachter: Jörg Neumann

SRc-Sterne bilden eine sehr interessante Unterart der Halbregelmäßigen Sterne. Zunächst handelt es sich tatsächlich um Rote Überriesen: diese Sterne sind also nicht nur riesig groß (das sind Mira-Sterne auch), sondern obendrein massereich. Es handelt sich um fortgeschrittene Entwicklungsstadien massereicher Sterne: zum einen sind diese sehr selten, zum anderen werden die späteren Entwicklungsstadien vergleichsweise rasch durchlaufen. SRC-Sterne sind also Abkömmlinge seltener Sterne in einer kurzen Entwicklungsphase. Kein Wunder, dass im ganzen GCVS nur einige hundert Exemplare aufgeführt sind. Einige längere interessante Diskussion hat sich im Februar 1997 im vsnet mit der Häufigkeit dieser Sterne und ihrer Rolle als Vorläufersterne von SN-II befaßt.

BU Gem

Angaben aus dem GCVS: Amplitude 5,74 - 8,1 visuell, Typ Lc, Spektraltyp M1-M2Ia-ab. Die Typbezeichnung Lc ("Irregular variable supergiants of late spectral types having amplitudes of about 1 mag in V") soll auf einen unregelmäßigen Lichtwechsel hinweisen, aber der GCVS schränkt diese Aussage selber ein, indem auf unzureichendes Beobachtungsmaterial verwiesen wird ("...stars are often attributed to this type because of being insufficiently studied. Many type L variables are really semiregulars or belong to other types." Quelle; N.N. Samus [Moscow Inst. Astron.] und O.V. Durlevich [Sternberg Astron. Inst., Moscow] in der Datei VARTYPE.TXT zum Thema "GCVS Variability Types", beigegeben der gezippten elektronischen Version des GCVS von 2001). Damit könnten also lange homogene Beobachtungsreihen dazu beitragen, Lc-Sterne zu SRc-Sternen zu machen. Was zeigen nun die Beobachtungen von Herrn Neumann?

Im Wesentlichen ist nur eine langgezogene Welle zu sehen, die bei ca 2449500 ein Minimum zu haben scheint, das nächste Minimum aber am Ende der Beobachtungsreihe (2452000) immer noch nicht sicher erreicht hat. Die Gemeinschaftslichtkurve der AAVSO bietet das gleiche Bild - allerdings bei einem rund eine Größenklasse breitem Streuband. Auch hier deutet die Langzeitkurve auf eine typische Zyklenlänge von 2500 Tagen oder mehr hin. Ein Stern, der also viel Geduld erfordert.

BU Gem, Lichtkurve

Abb. 5) Lichtkurve von BU Gem, Beobachter: Jörg Neumann

Mehr oder weniger deutlich ist dem langsamen Lichtwechsel ein "kurzperiodischer" Lichtwechsel überlagert. Aber sowohl die Inspektion der Lichtkurve als auch das Ergebnis des Periodensuchprogramms ist wenig aussagekräftig: hier ist man an den Grenzen der Möglichkeiten einer visuellen Beobachtung. Herr Neumann vermutet einen Lichtwechsel mit einer Periode von 80 bis 100 Tagen, wiederum ein Wert, den ich nicht ganz nachvollziehen kann.

Ich finde es sehr lobenswert, dass Herr Neumann mit einer derartigen Ausdauer diese Sterne bearbeitet. Der Vergleich mit den Gemeinschaftslichtkurven der AAVSO zeigt, dass ein ausdauernder Einzelbeobachter mit seinem homogenen Material den Lichtwechsel mit einer ebensolchen Qualität wiedergeben kann wie eine große Gruppe weniger treuer Beobachter. Von daher ist es unbedingt begrüßenswert, dass Herr Neumann entschlossen ist, die Beobachtung dieser Sterne fortzusetzen.

Lichtkurvenblätter bei Halbregelmäßigen Sternen

Im Frühjahr wurde in der BAV-Liste eine längere Diskussion zu verschiedenen allgemeinen Themen geführt, bei der auch Sinn und Unsinn von Lichtkurvenblättern zur Sprache kam. Die Diskussion erbrachte in meinen Augen das Ergebnis, dass die BAV-Mitglieder mehrheitlich die Lichtkurvenblätter als sinnvolle und motivierende Einrichtung begrüßen, wiewohl von Veränderlichentyp zu Veränderlichentyp differenziert werden sollte. Für die Halbregelmäßigen Sterne haben Lichtkurvenblätter nicht die Bedeutung, die sie z.B. für Mira-Sterne haben. Vielleicht ist dem ein oder anderen schon aufgefallen, dass die Grundlage der von mir gezeigten Abbildungen immer Einzelbeobachtungen sind: Ich habe noch kein eingesandtes Lichtkurvenblatt gescannt. Das hat nicht nur ästhetische Gründe. Zum einen stelle ich nur Sterne vor, für die Beobachtungen aus längeren Zeiträumen existieren (nicht nur von einem Maximum), zum anderen wird damit vielleicht klar, dass die Einzelbeobachtungen immer wertvoll sind und Grundlage von Auswertungen verschiedener Art sein können, auch wenn die vom Beobachter selbst abgeleiteten Minima und Maxima nicht immer angenommen werden können. Hier ist Herr Neumann das beste Beispiel: er hat eine große Menge schwieriger Sterne in seinem Programm (sehr rote Sterne, teils mit mehreren überlagerten Perioden, meist mit einer sehr geringen Amplitude), was dazu führt, dass die von ihm abgeleiteten Einzelergebnisse häufig als zu unsicher nicht anerkannt werden können und nicht in der jährlichen Ergebniszusammenstellung erscheinen. Aber die einzelnen Schätzungen sind nicht umsonst und bilden ein wertvolles und homogenes Material für Langzeituntersuchungen.

Dieses Jahr habe ich allgemein die Kriterien für die Anerkennung von abgeleiteten Ergebnissen etwas schärfer gehandhabt und z.B. Amplituden von kleiner oder gleich 0,5 Größenklassen nur in wenigen Ausnahmefällen und bei gut besetzten Lichtkurven gelten lassen. Wenn der eine oder andere Beobachter seine Ergebnisse nicht wiederfindet, hat das darin seinen Grund.


Home, what's new, Astronomie-Hauptseite, BAV-Menue, Kunst, Literatur, Musik

Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 06.12.2001
Adresse dieser Seite: http://www.bela1996.de/astronomy/bav/bav-rb200104.html