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Das Minimum von Epsilon Aurigae 2009 - 2011

Das lang erwartete Minimum des extremen Bedeckungsveränderlichen Epsilon Aurigae naht nun endlich, und Beobachter sollten sich und ihr Material auf die Verfolgung der fast zweijährigen Bedeckung vorbereiten. Beobachtbar ist der Stern mit jedem Instrument, angefangen vom bloßen Auge mitten aus einer Stadt heraus bis hin zu Spektroskopen ambitionierter Amateure. Der Stern ist wegen seiner Helligkeit, seiner großen Amplitude und der leichten Auffindbarkeit gerade auch für Anfänger interessant.

Epsilon Aur wurde 1821 von Johann Heinrich Fritsch als deutlich schwächer als sonst beobachtet. Von dieser Entdeckung bis hin zur ersten gründlichen Bearbeitung durch Hans Ludendorff 1904 vergingen über achtzig Jahre, in denen der Stern noch dreimal Phasen verringerter Helligkeit durchlief. Von Ludendorffs Arbeit, die den Stern als Bedeckungsveränderlichen interpretierte, bis hin zum letzten beobachteten Minimum 1982-84, in dem die damals modernsten Techniken zur Untersuchung des Systems eingesetzt wurden, vergingen noch einmal achtzig Jahre. 1991 schließlich wurde in der bis heute maßgeblichen Arbeit von Carroll, Guinan und Mitarbeitern [Carroll, S. et al., Interpreting Epsilon Aurigae, Astrophys. J. 367, 278 (1991)] die Summe aus dem bis dahin vorliegenden Material gezogen und ein Modell vorgestellt, das in seinen Grundzügen heute noch Bestand hat.

Modell von Epsilon Aurigae
Modell von Epsilon Aurigae aus der Arbeit von Carroll et al. Selbstverständlich kann die Scheibe nicht so dick wie eingezeichnet sein. Von der Erde aus schaut man unter einem erheblich flacheren Winkel auf die Scheibe, sonst wäre die Bedeckung total: Denn das Modell fordert, dass die zentrale Zone mit dem dünneren Gas vor dem Hauptstern vorbeizieht.

Bei Epsilon Aur handelt es sich demnach um ein System aus unterschiedlichen Komponenten: Zunächst einem hellen F0Ia-Überriesen, der etwa 15 Sonnenmassen hat bei einem Radius von 200 Sonnenradien. Wie nicht unüblich für Überriesen dieses Spektraltyps zeigt dieser Stern einen geringen Pulsationslichtwechsel. Alle 27,1 Jahre zieht die zweite Komponente, eine dünne, geneigte Scheibe, vor dem Stern vorbei und lässt die Helligkeit in der langen totalen Phase um 0m,7 bis 0m,8 absinken. Diese Scheibe ist erst im fernen Infrarot nachweisbar, im optischen Licht und im nahen Infrarot dominiert der Überriese die Strahlung und das Spektrum. Eine Aufhellung während der letzten Bedeckung wird als Hinweis für ein zentrales Loch in der Scheibe gedeutet, durch die das Licht des Hauptsterns hindurchscheinen kann. In diesem Loch vermutet man ein Doppelsternpaar aus zwei B-Sternen, welche die Masse aufbringen sollen, die in der Scheibe laut Bahnberechnungen stecken muss. Dieses Doppelsternpaar ist allerdings bis jetzt noch nicht sicher bestätigt worden.

Vergleichssterne zu Epsilon Aurigae
Vergleichssterne für Epsilon Aurigae.
Summe aus 6 Aufnahmen à 15 Sekunden mit der Canon IXUS 70.

Um die Helligkeit in den nächsten Jahren schätzen oder messen zu können braucht man geeignete Vergleichssterne. Für photoelektrische Messungen und Filterbeobachtungen mit CCD-Kameras wird Lambda Aur als Standard-Vergleichsstern empfohlen. Da bei dieser Art von Beobachtungen immer auch Extinktionskoeffizienten bestimmt werden müssen, stört der etwas weite Abstand von 5° zu Epsilon Aur nicht. Für visuelle Beobachter oder für Aufnahmen mit Digitalkameras ist allerdings der Helligkeitsunterschied zwischen Lambda und Epsilon Aur zu groß (fast 1m,7). Statt dessen kann Eta Aur (Abstand rund 2,7° und Helligkeitsunterschied wenig mehr als 0m,1 zum Normallicht von Epsilon Aur) empfohlen werden. Als zweiter Vergleichsstern kann für den hier angestrebten Genauigkeitsbereich auch Zeta Aur empfohlen werden - im Bewusstsein, dass es sich hier um einen Veränderlichen Stern handelt, der überdies im März 2009 (immerhin noch vor dem Ersten Kontakt (s.u.) von Epsilon Aur) ein Minimum von etwa einem Monat Dauer haben wird - allerdings bei einer Amplitude im Visuellen von gerade einmal 0m,1. Zeta Aur hat im Normallicht etwa 3m,8 visuelle Helligkeit und damit eine Helligkeit, die Epsilon Aur im Minimum erreichen wird.

Die zu erwartenden Kontaktzeiten werden gerne auf den Tag genau angegeben. Das verkennt, dass bisher nur wenige Bedeckungen beobachtet wurden, mehr oder weniger behindert durch eine etwa zweimonatige Beobachtungslücke im Sommer. Überdies fällt jede Bedeckung anders aus, und die Variabilität des Überriesen tut ihr übriges. Ein Beobachter tut gut daran, sich nicht auf die Vorhersagen zu verlassen, sondern frühzeitig vor dem ersten vorherberechneten Kontakt mit den Beobachtungen zu beginnen und sie bis lange nach dem Ende des erwarteten vierten Kontakts fortzusetzen. Der Fahrplan für Epsilon Aur sieht grob so aus:

   Erster Kontakt (die Scheibe beginnt sich vor den Stern zu schieben)    August 2009
   Zweiter Kontakt (das Maximum der Bedeckung ist erreicht, die totale Phase beginnt)       Dezember 2009   
   Mitte der Totalität    August 2010
   Dritter Kontakt (Ende der totalen Phase)    März 2011
   Vierter Kontakt (die Scheibe bedeckt den Stern nicht mehr, Ende der Bedeckung)    Mai 2011

Reizvoll ist der Nachweis der Pulsationsveränderlichkeit des Überriesen: Meist beträgt die Amplitude dieses Lichtwechsels etwa 0m,1, nur selten erreicht sie 0m,2. Nachweisbar ist der Lichtwechsel mit CCD-Kameras, mit etwas Aufwand auch mit gut kalibrierten Aufnahmen von digitalen Spiegelreflexkameras. Mit einfachen Digicams gelingt es nicht. Dass es sich um Pulsationen handelt, kann anhand der unterschiedlichen Amplitude in verschiedenen Farbbereichen nachgewiesen werden: Je kürzer die Wellenlänge, desto größer die Amplitude. Es wurde oft versucht, eine Periode der Pulsationen abzuleiten, was aber nicht gelungen ist. Typische Zeitskalen sind 60 bis 120Tage, größere Abweichungen kommen vor.

Pulsationslichtwechsel von Epsilon Aurigae
Typischer Pulsationslichtwechsel ausserhalb einer Bedeckung, hier von August 2005 bis Ende April 2006.
V-Messungen von Jeff Hopkins (Hopkins-Phoenix-Observatory)

Beim letzten Minimum 1982-84 kam es fast in der Mitte der Bedeckung zu einer auffallenden Aufhellung um einige Zehntel einer Größenklasse. Leider war dies genau zu der Zeit, als der Stern nur schwer und horizontnah zu beobachten war. Überdies sind nahezu alle Beobachtungen aus dieser Zeit von einem einzigen Observatorium gewonnen worden, von einem günstig hoch im Norden (in Schweden) gelegenen Ort. Obwohl diese Aufhellung bei vorhergehenden Bedeckungen nicht oder nur (im Nachhinein) zu ahnen war, hat sie großen Einfluss auf Modelle des Systems gehabt. Es ist mit die interessanteste Frage, wie sich diese Aufhellung beim kommenden Minimum zeigen wird. Da die Aufhellung fast in allen Farben von der gleichen Amplitude war, ist der Überriese als Verursacher unwahrscheinlich.

Minimum 1982-1984
Lichtkurve des Minimums 1982 - 1984 mit der zentralen Aufhellung.
Aus: Parthasarathy, M. & Frueh, M. L., "Epsilon Aurigae in eclipse - The light and colour variations", 1986Ap&SS.123...31P

Vor einigen Jahren wurde eine "Epsilon Aurigae Campaign 2009" ins Leben gerufen, von der einige Teilnehmer schon die zweite Bedeckung verfolgen werden. Auf der Webseite dieser Kampagne wird umfangreiches aktuelles und historisches Material zur Verfügung gestellt, in unregelmäßigen Abständen erscheinen Newsletter mit neuen Messungen und Erkenntnissen, die ebenfalls sofort auf der Webseite veröffentlicht werden.

Minimum 2009-2011
Der zu erwartende Verlauf des Minimums 2009-2011, wenn man den Verlauf des letzten Minimums 1982-1984 als Grundlage nimmt. Demnach ist das Minimum asymmetrisch: Der Abstieg zur Minimalhelligkeit verläuft langsamer als der Anstieg zur Normalhelligkeit. Die Punkte sind 61 eigene Messungen mit einer einfachen und billigen Digitalkamera (Canon IXUS 70) und zeigen, dass auch mit diesem billigen Instrumentarium das Minimum schön zu beobachten sein wird.

Der Lichtwechsel des F-Überriesen ist auch in diesem Maßstab schon zu ahnen. Bildet man gleitende 5-er-Mittel dieser Einzelmessungen und vergleicht diese mit den lichtelektrischen Messungen des Hopkins-Phoenix-Observatory (HPO) und DSLR-Messungen von Des Loughney (DLO), so schneidet die IXUS gar nicht schlecht ab:

Aktuelle Werte von Epsilon Aurigae

Aktuelle Lichtkurve von Epsilon Aurigae

Seit Ende Juni ist Epsilon Aurigae nach der Konjunktion mit der Sonne wieder beobachtbar. Überraschenderweise hat er nahezu die gleiche ungewöhnlich hohe Helligkeit, die er zu Ende der Beobachtungssaison im Lauf des Mai erreicht hat (V=2,9). Es wird schwer werden, den Anteil des Bedeckungslichtwechsels ab voraussichtlich August von dem Anteil des F-Sterns zu trennen, der auch mal wieder schwächer werden sollte.

 


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Autor: Béla Hassforther. Letzte Änderung: 02.07.2009
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