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Franz Pforr, Briefe an verschiedene Adressaten

Sarasin

Brief an Sarasin, Wien, 21.03.1810  (Frankfurt a.M., Stadt- und Universitätsbibliothek, Nachlaß J.D.Passavant (54/156,157))

Hier sende ich Ihnen endlich den versprochenen Aufsatz, in dem ich hoffe, von der Zeit, die ich hier zugebracht habe, Rechenschaft abzulegen. Sie haben sich stets zu edel an mir erwiesen, als daß ich fürchten sollte, die Fehler, die ich in der Geschichte berühren muß, würden Ihre Zuneigung gegen mich verringern. Ich gestehe, daß ich mich durch mein früheres Betragen gegen einen mir unschätzbaren Freund Ihres Unwillens wert gemacht hatte, allein wenn man durch Reue das Vergangene verbessern kann, so habe ich es gewiß getan; und denn entsprang mein Fehler aus einer Quelle, aus welcher manche gute Eigenschaften des Studierenden fließen, denn wie leicht ist der Schritt von rühmlicher Nacheiferung zu Neid getan. Ich hoffe also auch von Ihnen Vergeltung zu erhalten, daß ich eine Lehre aus den Augen setzte, die sie mir in dem Augenblick meines Abschiedes von Ihnen gaben und die mir hätte heilig sein sollen.

Mit derjenigen Offenheit, die meine große Pflicht gegen sie fordert und meine Liebe und Dankbarkeit gern gibt, sage ich Ihnen meine Gedanken über die Kunst und über die jetzigen Künstler, indem ich überzeugt bin, sollten sie auch nicht mit den Ihrigen übereinstimmen, Sie doch nicht verkennen werden, daß mein Bestreben auf das Gute und Wahre gerichtet ist, sollte ich es auch verfehlen. Weil ich aber frei und ohne Rückhalt mit Ihnen reden wollte, so sah ich mich genötigt, Urteile über Leute zu fällen, die ich zwar alle beweisen kann, deren üble Folgen ich aber, im Fall sie ihnen zu Ohren kommen, nicht gern ausgesetzt wäre. So bitte ich Sie, den Aufsatz niemand zum Lesen zu geben, als Menschen, die vorurteilslos und unparteiisch sind; wenigstens solange ich hier bin wünsche ich, daß er nicht weiter bekannt wird, und auch dann sollte es mir leid sein, wegen meiner Freunde, die hier zurückbleiben, und die gewiß den aufgeregten Zorn der Künstler zu fürchten hätten.

Damit ich Sie noch mehr mit unserer Gesellschaft bekannt mache, so habe ich einige Aufsätze beigelegt, aus denen Sie am besten unsere Gedanken und Ansichten beurteilen können. Von Zeit zu Zeit macht einer von uns eine Schrift, die er dann der Gesellschaft vorlegt, und die in einer Abschrift alsdann aufbewahrt wird.

Dabei muß ich Ihnen aber bemerken, daß wir übereingekommen sind, vorauszusetzen, daß wir keine unumstößlichen Wahrheiten sondern Meinungen vortragen, deswegen muß Ihnen der entschiedene Ton nicht auffallen, der allerdings von jungen Leuten unbescheiden lauten würde, wenn diese Übereinkunft nicht vorausging.

Was in meinem Aufsatz über böses Beispiel und Geringschätzung gesagt wird, bezieht sich auf mein Leben in Kassel und zum Teil auch hier. Was dieses für einen üblen Eindruck auf mich gehabt hat, kann ich Ihnen nicht sagen; zwar hatte ich auch gutes Beispiel, wonach ich mich hätte bilden können, allein das Böse macht immer mehr Wirkung als das Gute auf das Herz eines unerfahrenen Knaben. Doch hat selbst das Fehlen in der Folge Nutzen, und ich sah manches ein, daß ich nur durch diesen teuren Preis erkaufen konnte.

Ich darf Sie nun wohl über die Beurteilung dieser Sachen bitten, ich bin überzeugt, Sie versagen es mir nicht! Dankbar werde ich es annehmen und was Sie finden, das ich ändern und bessern soll, wird mein angelegenes Bestreben sein zu vervollkommnen.

Besonders darüber möchte ich Ihre Meinung hören, ob ich meine Zeit nach Ihrem Willen zugebracht habe, was die letzteren Jahre betrifft, denn die erste Zeit habe ich fast ganz, dadurch daß ich keinen bestimmten Plan hatte, verloren.

Mit einem Bild, welches dem Fürsten vorgestellt werden soll, bin ich indessen ziemlich vorgerückt, so daß ich in der Mitte künftigen Monats damit fertig zu werden gedenke. Dieses wird meine letzte Arbeit sein. Sobald es trocken ist, werde ich es Ihnen mit meinen übrigen Sachen senden. Ich habe es so eingerichtet, daß dieses bald geschieht, und dann wäre mein Wunsch, in den ersten Tagen des Mai abzureisen. Es hat sich noch ein Freund aus unserer Gesellschaft, Hottinger von Zürich, durch Umstände bestimmt, entschlossen, mitzugehen, wir sind also zu vieren. Mit großer Sehnsucht sehe ich der Abreise und dem gesegneten Lande der Kunst entgegen. Sobald ich mit meinem Bilde fertig bin, werde ich sogleich mein Vermächtnis berichtigen, denn jetzt ist es mir fast nicht möglich, des Tags eine halbe Stunde abzukommen, damit ich meine Arbeit gehörig vollenden kann. Meine Gesundheit bessert sich immer mehr, und ich hoffe, die Reise wird sie ganz herstellen. Ich befolge immer noch genau die Vorschrift des Arztes wegen der Bewegung, jeden Abend ohne durch das Wetter abgehalten zu werden, mache ich einen Spaziergang.

Ihrem Herrn Bruder, bitte ich Sie, sagen Sie gefälligst, daß die Lampen erst zu Ende dieser Woche fertig werden. Die vielen Feiertage während der Festlichkeiten, die hier waren, verzögerten dies so ungewöhnlich. Es war wirklich hier sehr lebhaft seit einigen Wochen, ich habe aber von allem nichts erfahren, als die Musik habe ich in meinem Zimmer gehört, als Prinz Bertier in die Stadt zog, und den Schein der Beleuchtung habe ich auch von da aus dem Fenster gesehen. Ich war zu beschäftigt und hatte zuwenig Lust, in die Stadt zu gehen. Wien spricht von einer Illumination, die bald wieder sein wird, [...] nur die Kaiserin in Paris ankommt. In allen Kunsthandlungen sieht man jetzt des französischen Kaisers und der neuen Kaiserin Porträt auf hunderterlei Arten vorgestellt.

An Herrn Engelmann bin ich so frei und lege einen Brief mit bei, an Georg habe ich kürzlich geschrieben, er glaubte mich in seinem letzten Briefe schon auf der Reise nach Rom.

An Ihre Töchter, Hern Walter und Jean bitte ich Sie, mein Kompliment zu machen.

Mit großer Erwartung sehe ich einen Brief von Ihnen entgegen, der mir Ihr Urteil über meinen Aufsatz sagt, und ich bin so kühn, Sie zu bitten, wenn es anders mögich ist, mich nicht lange in der Ungewißheit zu lassen.

Wien den 21. März 1810
Ihr dankbarer F. Pforr


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Gestaltet von Béla Hassforther. Letzte Änderung: 14.01.2006
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